Sie begann mit einem Riss in einer Scheibe des Cockpits, der zu einer dreistündigen Wartezeit führte. Sie endete neun Tage später nach einem etwas turbulenten Flug. Die Aka- Reise nach Siebenbürgen“ war gespickt mit kulturellen Highlights, grandiosen Eindrücken, überraschenden Begegnungen und einem tiefen Blick ins Leben abseits der Touristenströme.
Das verdanken wir unseren beiden Reiseleitern – Ruhtraut Zey und ihrem Bruder Dietmar Zey. Sie verbrachten in dem Lande ihre Kindheit und Jugend, studierten und arbeiteten dort und kamen schließlich nach Deutschland – wie die meisten ihrer Landsleute.
Bei der letzten Volkszählung wurden in Rumänien etwa 37.000 Deutsche gezählt, das waren 0,18 Prozent der Bevölkerung – gegenüber 88,9 % Rumänen. Von den Siebenbürger Sachsen gibt es noch ca.14.000. Und es sind fast nur noch die Alten, die bleiben. Wird es dieses Völkchen mit seiner bewegten Geschichte im südlichen Karpatenbogen also bald nicht mehr geben? Vielleicht.
Aber: Was nicht stirbt, ist die deutsche Sprache. Die gefällt den Rumänen so gut, dass, wer immer es sich leisten kann, sein Kind auf eine deutsche Schule schickt. Sowohl Grundschulen als auch Gymnasien in den großen Städten können den Andrang kaum bewältigen und sind zum Schichtunterricht übergegangen: Von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends wird hier gelernt – auf Deutsch! Doch es geht nicht nur um Goethe und Schiller bei dieser Schulwahl, sondern um ganz pragmatische Entscheidungen: Zahlreiche große deutsche Firmen haben sich in Siebenbürgen niedergelassen und stellen gern qualifizierte Mitarbeiter aus der Umgebung ein. Und inzwischen gibt es auch einen kleinen Trend in die Gegenrichtung – viele clevere deutsche Studenten umgehen z. B. den hiesigen Numerus Clausus elegant, um ihr Medizinstudium in Klausenburg (Cluj Napoca) zu absolvieren.
Interessant könnte es aber auch am Ende der Alterspyramide werden. Denn während hierzulande die Kosten fürs Pflegeheim explodieren, sodass nur noch ein Bruchteil der Senioren sie von der eigenen Rente bezahlen kann, bekommt man einen Platz in Sächsisch Regen (Reghin) schon für 300 Euro im Monat. Allerdings gibt es da gerade ein anderes kleines Problem. „Alle unsere Pflegekräfte kommen zu Euch“, sagte eine deutsche Pfarrersfrau bedauernd. Und, darf man hinzufügen, nicht nur diese Berufsgruppe. Der Exodus ist in vollem Gange, was beim rumänischen Durchschnittsgehalt von 300 bis 500 Euro kein Wunder ist. Aber: „Die schaffen das!“, war die einhellige Meinung der Aka-Gruppe. Ein so attraktiver Flecken im Herzen Europas mit vielen, gut ausgebildeten jungen Menschen, die fast alle perfekt Englisch sprechen, wird es packen. Wenn da nur nicht die korrupten Politiker wären, meinten unsere rumänischen Stadtführer. Inzwischen gibt es wenigstens einen Hoffnungsträger: den siebenbürgisch-sächsischen Klaus Johannis, der es immerhin zum Staatspräsidenten gebracht hat und als Saubermann gilt.
Wir sahen typisch sächsische Dörfer mit ihren Häuserfronten, übermauerten großen Einfahrten mit Holztoren. Wir sahen und besuchten die zentral und erhöht angelegten alten Kirchenbauten – religiöse Mitte der Bewohner und Zufluchts-/Abwehrstätten in Kriegszeiten. Dazu zählten Keisd (Saschiz), Deutsch-Weißkirch (Viscri), Birthälm (Biertan) und Kelling (Câlnic), UNESCO-Kulturerbe-Stätten. Das Kirchengebäude, Ringmauern mit Schießscharten, Wehrtürme, Speicherräumen und Kellern gehörten zum Burgareal – eben die sogenannten Kirchenburgen.
Die sächsischen Städte, wie Klausenburg (Cluj Napoca), Schäßburg (Sighișoara) oder Kronstadt (Braşov), unterscheiden sich auf den ersten Blick kaum von anderen vergleichbar großen europäischen Städten. Erst das genauere Hinsehen zeigt den Stempel, den die Siebenbürger Sachsen ihnen aufgedrückt haben. Auch wenn vieles modernisiert wurde, ist die „Kirche im Dorf (hier Stadt)“ geblieben und der alte Geist ist noch sicht- und spürbar.
Nahezu unverändert bis heute wirken die lokalen Bauernmärkte, die wir kurz, aber intensiv mit allen Sinnen genießen konnten.
Wir erlebten Kontraste, die uns staunen ließen. Nur einige Beispiele seien angeführt:
Die Hotels: Hier das elegante SPA-Hotel in Sovata mit perfekter Ausstattung und perfektem Service. Da das heruntergekommene Hotel in Elisabethstadt (Dumbrăveni), in dem weder alle Lampen noch das Warmwasser funktionierten, in dem es an der Bar weder Wasser noch Wein gab, sodass wir uns im Supermarkt selbst versorgten – was, nebenbei bemerkt, zu einem äußerst lustigen Abend mit z.T. katerhaften Folgen am nächsten Morgen führte.
Die Mode: Hier die Teenager, die wie überall auf der Welt mit kunstvoll zerrissenen Jeans herumspazierten, dort die Älteren auf dem Dorf in ihren langen Röcken und Kopftüchern. Besonders pikant: die aktuellen modischen Angebote der Kaufhäuser. Jenes in Hermannstadt bot auf allen vier Stockwerken nur eine Stilrichtung: Üppige Cocktail-und Abendkleider, die aus Hollywoodfilmen der 50er Jahre zu stammen schienen und in allen Farben des Regenbogens strahlten.
Das Fernsehen: Überall gab es viele Programme. Doch während man sich in kleineren Orten mit rumänischem TV (endlose Polit-Talks und folkloristische Tänze) zufrieden geben musste, konnte man im Hotel von Hermannstadt Sendungen in sechs Sprachen verfolgen. Ausländische Filme werden grundsätzlich nicht synchronisiert, sondern laufen mit rumänischen Untertiteln – vielleicht eine Erklärung dafür, warum die jungen Leute dort so gut Englisch sprechen.
Das Essen: In den großen Hotels gab es, wie inzwischen wohl auf der ganzen Welt üblich, riesige Frühstücksbuffets. Die hatten es in sich: Rollmöpse, Rogen, Fischpasteten, dicke Würste, Oliven, sauer eingelegte Gemüse, fetter Speck, Eier in allen Variationen, Käsespezialitäten, Büffelbutter und ganze Kuchenbleche. Kalorienmäßig hätte ein solches Frühstück glatt für drei Tage gereicht. Auf der anderen Seite die mageren Kinder der Roma, die auf der Straße um Bonbons bettelten, aber ganz andere Lebensmittel gebraucht hätten.
Der Tourismus: Die Törzburg (Schloss Bran), Jahrhunderte lang diente sie der Sicherung des Passweges zwischen Siebenbürgen und der Walachei, wird heute als „Dracula-Schloss“ vermarktet. Dazu gehört auch der „Dracula-Markt“, mit gefühlten 100 Buden, ein turbulentes Spektakel. Führungen im 5-Minuten-Takt mit gut gelaunten und rhetorisch begabten Führern machen das Ganze zu einem lustigen Familienfest für Touristen aus aller Welt. Hermannstadt (Sibiu), die ehemalige Hauptstadt der Siebenbürger Sachsen und 2007 neben Luxemburg Europäische Kulturhauptstadt, zeigt in der Oberstadt ihre ganze Pracht. Auf der anderen Seite sind die aussterbenden Kleinstädte und Dörfer mit ihren liebevoll hergerichteten Kirchen und Heimatmuseen, in die sich kaum ein Tourist verirrt.
Das Reich Transsilvanien – es ist uns allen ans Herz gewachsen. Ruhtraut und Dietmar Zey, die Kinder dieses Landes, haben uns mitgenommenen, uns an ihren Erinnerungen teilhaben lassen, haben erklärt, gezeigt, organisiert. Es war eine Reise aus der Gegenwart in die Vergangenheit mit Ausblick in die Zukunft. Es war der Blick in ein wunderschönes Land mitten in Europa, das hoffentlich bald wieder für alle so attraktiv ist, dass die Worte der Pfarrersfrau (s.o.) nicht mehr zutreffen. Die Darmstädter Gruppe, die einen tiefen Einblick ins Siebenbürger Land bekommen hat, dankt den beiden exzellenten Führern für diese eindrucksvolle Reise.
Text: Heidrun Bleeck u. Klaus-Peter Reis
Fotos: Klaus-Peter Reis
Impressionen von der Reise (zum Vergrößern bitte anklicken):
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