Mit der Aka durch die Extremadura in Spanien
Was fällt den 27 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Aka-Studienreise als erstes ein, wenn sie an die vergangenen zehn Tage in der Extremadura zurückdenken? Im Kopfkino wechseln Bilder einer überraschend grünen Landschaft voller Stein- und Korkeichen ab mit Erinnerungen an Gebäude aus der Römerzeit, mittelalterliche Paläste und große, belebte Plätze. Einige Aka-Mitglieder haben noch den Geschmack von (mitgebrachtem) iberischem Schinken auf der Zunge. Er wird aus den Vorder- und Hinterbeinen schwarzer Schweine hergestellt und darf auf keiner Speisekarte fehlen.
Vor Beginn der Flug- und Busreise vom 23. Mai bis 1. Juni hatten die meisten Teilnehmer noch keine Vorstellung von der dünn besiedelten, kaum industrialisierten Extremadura, die auf halber Strecke zwischen Madrid und Lissabon liegt. Der Name bedeutet „jenseits des Duero“. Brigitte Wechsler-Albrecht, Leiterin eines Aka-Kurses für Spanisch, hatte das Reiseziel vorgeschlagen und Helmut Damm, Aka-Fachbereichsleiter für Internationalen Austausch, die Reiseroute zusammen mit Thomas Kolb, Reiseunternehmer aus Frankfurt, festgelegt. Für Kolb war dies ein Experiment und eine Premiere – vielleicht wird er die Extremadura in seine Angebotspalette aufnehmen.
Auf spanische Temperaturen und Tapas wurden die Darmstädter gleich nach ihrer Ankunft in Madrid eingestimmt. Bei einer Stadtrundfahrt lernten sie die wichtigsten Gebäude der Hauptstadt kennen, danach brachte Busfahrer Eduardo die Gruppe zur ersten Unterkunft in Plasencia. Sie übernachtete in einem ehemaligen Kloster, das heute als Parador geführt wird und nicht nur über einen repräsentativen Speisesaal, sondern auch über ein Schwimmbad verfügt. Schnell gewöhnten sich die Busreisenden an den Anblick von Störchen, die auf fast jedem Kirch- oder Wehrturm Brutpflege betreiben und fröhlich klappernd miteinander kommunizieren.
Plasencia hat eine mittelalterliche Altstadt mit einer alten und einer neuen Kathedrale aus dem 13. und 16./18. Jahrhundert, vor allem aber eine Plaza Mayor, auf der abends die Post abgeht. Sie ist umringt von Restaurants, in denen sich die Gäste aus Darmstadt am zweiten Abend mit spanischen Gerichten und Wein verwöhnen ließen. Nicht weit von Plasencia entfernt liegt das Kloster Yuste. Reiseführer Javier, Student der Kunstgeschichte, berichtete vom berühmtesten Bewohner des Klosters, Karl V. Der mächtige Kaiser aus dem Hause Habsburg, in dessen Reich „die Sonne nicht unterging“, hatte sich nach seiner Abdankung dorthin zurückgezogen. Von seinem Zimmer aus konnte er auf den Hochaltar blicken und hatte Zugang zur Klosterkirche. Er war schwer gichtkrank, und noch heute wird die Sänfte gezeigt, in der er zu seinem letzten Wohnsitz getragen wurde. Er starb im Alter von 58 Jahren.
Überwältigt von der fast unberührten Natur waren die Aka-Mitglieder im Nationalpark Monfragüe, in dem es sich über 300 verschiedene Vogelarten gutgehen lassen. Groß war die Aufregung, als an einem Felsen (Salto del Gitano) unterhalb des Flusses Tajo fliegende Gänsegeier gesichtet wurden – ein gefundenes Fressen für die Kameras. Später tauchten die Reisenden erneut in die mittelalterliche Atmosphäre kleiner Städte ein, diesmal von Zafra und Jerez de los Caballeros. Die Chefin einer 1910 gegründeten Wurst- und Schinkenfirma führte sie durch ihre kleine Produktionsstätte, vorbei an von der Decke baumelnden Schweinekeulen, und lud sie – gewiss nicht zu ihrem geschäftlichen Nachteil – zu einer Verkostung von Chorizo, Lende und iberischem Schinken ein. Die berühmten schwarzen Schweine, die wir auf der Rundreise hin und wieder zu sehen bekamen, ernähren sich vorwiegend von Eicheln. Dadurch bekommt ihr Fleisch einen nussartigen Geschmack.
Fünf Nächte verbrachten die Darmstädter im Palacio de Santa Marta von Trujillo, einer bezaubernd vorgestrigen Stadt mit einem Burghügel und Adelspalästen. Aus Trujillo stammen die meisten Konquistadoren (Eroberer Südamerikas), weshalb die Stadt auch „Wiege der Eroberer“ genannt wird. An einen von ihnen, Francisco Pizarro, erinnert ein Reiterstandbild auf der Plaza Mayor. Die Witwe des amerikanischen Bildhauers schenkte sie 1929 der Stadt. Ein ähnliches Denkmal befindet sich heute in Lima (Peru), Pizarros Sterbeort. Zusammen mit seinen Halbbrüdern hatte der rücksichtslose Machtmensch das Reich der Inka erobert. Aus der ärmsten Region Spaniens kommend, suchten sie ihr Glück in der neuen Welt und beuteten die Inkas aus. Reiseführer Javier erzählte, dass die Opfer der Eroberer von der spanischen Regierung Wiedergutmachung verlangt haben, ihre Forderung aber schnöde zurückgewiesen wurde: Die Eroberer seien schließlich Südamerikaner geworden.
In Cáceres hat eine Ringmauer die muslimische Almohaden-Zeit heil überstanden. Sie schützt die mittelalterliche Ritterstadt seit einem halben Jahrtausend. Das Ensemble aus Adelspalästen, Kirchen und Klöstern innerhalb der Befestigungsanlage steht auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes. Reiseführer Javier wurde nicht müde, die Familienwappen auf den Adelspalästen zu erklären, von denen es in der Extremadura über 1000 gibt.
Übersetzt heißt „habla“ sprich. Es ist aber auch der Name eines Weingutes, durch dessen gestylte, etwas steril wirkende Keller und Weinverkostungsräume die Aka-Gruppe von einem Önologen (Weinhersteller) geführt wurde. Weit und breit kein weiteres Personal in Sicht! Werbekonzept und Innenarchitektur sind auf junge Genussmenschen abgestimmt. Bodegas Habla wurde 2000 mit dem Ziel gegründet, Luxus-Weine zu entwickeln. Ein Urteil über deren Qualität konnten sich die Darmstädter bei einer Mini-Weinprobe (zwei Sorten) bilden. Anmerkung der Verfasserin: Der mitgebrachte Rotwein Habla del Silencio schmeckt auch in Darmstadt hervorragend.
Mérida ist nicht nur die Hauptstadt Extremaduras, sondern gilt wegen seiner immensen archäologischen Schätze auch als „das spanische Rom“. An den Ufern des Flusses Guadiana ließ Kaiser Augustus um 25 vor Christus die Stadt Emerita Augusta für altgediente Soldaten bauen. Mit allem Drum und Dran: Brücke, Wasserleitung, Tempeln, Villen, Theater, Amphitheater und Rennbahn. Stück für Stück wurden die Relikte aus der römischen Zeit ab 1910 ausgegraben und sorgen nun für das einmalige, geschichtsträchtige Flair der UNESCO-Weltkulturerbe-Stadt. Wie die Römer konnten sich die Aka-Mitglieder anschließend in der Therme von Alange entspannen. Die Besonderheit dieser Kureinrichtung ist die „schottische Dusche“: Zwei Frauen, von denen jede zwei Schläuche in den Händen hält, spritzen jeweils einen Besucher drei Minuten lang mit kaltem Wasser (für die Füße) und warmem Wasser ab. Auf diese ungewohnte Art der Reinigung folgen ein Bad im wohl temperierten Wasser, ein Erfrischungsbad im kühlen Becken, Ausruhen auf warmen Kacheln und abschließendes Schwimmen im Freibad, das von einem herrlichen Kurpark umgeben ist.
Guadalupe war die letzte Station der Aka-Studienfahrt, auf der Busfahrer Eduardo rund 2400 Kilometer unfallfrei zurückgelegt hat. Das dortige Hotel – die Hospederia – liegt direkt im Kloster, einem Zielort vieler frommer Menschen. Wer sich der Stadt auf Pilgerpfaden nähert, sieht Kirche und Kloster wie eine Krone über den Dächern hervorragen. Zu dem imposanten Gebäudekomplex der Hospederia führt eine lange Treppe, über die die Aka-Mitglieder ihre Koffer schleppen mussten. Nach bestandenem Fitness-Test wurden sie mit dem Privileg belohnt, direkt neben einem der bedeutendsten Klöster Spaniens nächtigen zu dürfen. Guadalupe verdankt seinen Ruf dem Gnadenbild der schwarzen Maria, die angeblich von dem Evangelisten Lukas aus dunklem Holz geschnitzt wurde. Sie soll Spanien im Kampf gegen die Mauren unterstützt haben und wurde ein Symbol für das christliche Spanien. Christopher Kolumbus war vor ihr betend auf die Knie gefallen, bevor er zu seiner ersten Amerikafahrt aufbrach. In Lateinamerika wird die schwarze Madonna – mit päpstlichem Segen – als offizielle Patronin gefeiert.
Die puppenhafte Figur im goldenen Kleid thront so unauffällig über dem Altar, dass sie manchen Mitreisenden gar nicht auffiel. Bei der Führung durch die klösterlichen Schatzkammern enthüllte ein Mönch ihr Geheimnis: Sie steht auf einer Scheibe und kann in den dahinter liegenden Raum gedreht werden, so dass man die kleine Himmelskönigin direkt vor Augen hat. Anders als viele Pilger machten die Darmstädter allerdings nicht von dem Angebot des Mönchs Gebrauch, die am Rock Marias befestigte Medaille zu küssen.
Die Extremadura hat so viel zu bieten – und bestimmt werden die Teilnehmer der Studienreise dafür sorgen, dass diese Region bekannter wird. Einhelliges Lob verdienten sich Helmut Damm, der die Reise diskret und effektiv organisiert und geleitet hat, und Brigitte Wechsler-Albrecht, die immer bereit war, als Dolmetscherin einzuspringen. Reiseführer Javier profitierte vom Sprachunterricht der mitgefahrenen Lehrerrinnen: Er konnte beim Abschied zur allgemeinen Freude so schwierige Worte wie „Kühe“ und „Ölmühle“ fehlerfrei aussprechen.
Text und Fotos: Petra Neumann-Prystaj/ Foto der Reisegruppe in Guadalupe: Horst Bauer