vom 28.06. - 13.07.2013
Was kann man denn in der Mongolei schon sehen? Diese Frage bekam man vor der Reise zu hören. Ja, wir kennen alle „Dschingis-Khan“, den fetzigen Schlager aus den 80ern. Am Morgen des 29. 06. landeten wir nach 13 Flugstunden auf dem „Chinggis Khaan International Airport“. Die Integrationsfigur Dschingis-Khan sollte uns noch öfter begegnen, am eindrucksvollsten als 30m hohe Statue aus Edelstahl, Dschingis Khan hoch zu Ross, begehbar bis in die Mähne. Im Unterbau befindet sich ein historisches Museum. Produkte wie Bier, Wodka, Hotel, Banknoten tragen seinen Namen.

Auf der langen Fahrt vom Flughafen zur Innenstadt von Ulaanbaatar kamen wir durch die Randbezirke mit Jurten und kleinen Häusern mit Blechdächern in allen Farben, eine ländliche Siedlungsstruktur. Weiter ging es durch Plattenbausiedlungen der sozialistischen Zeit und dann zu der modernen, großzügigen City westlichen Zuschnitts mit allen öffentlichen Gebäuden. Nur in der Innenstadt bemerkten wir Ampel gesteuerte Verkehrsregelung, Schilder oder Polizisten. Die Hauptstadt ist in wenigen Jahrzehnten zur Millionenstadt angewachsen. Hier lebt fast die Hälfte der gesamten Landesbevölkerung mit ihren 3,1 Mio. Einwohnern. Vom Zaisan-Hügel, es stürmte und regnete, hatten wir einen Überblick über das weitläufige Stadtgebiet.

Am 3. Tag verteilten wir uns auf drei 4WD-Minibusse bewährter, robuster sowjetischer Produktion, und los ging das Abenteuer in die Steppe mit der endlosen Weite, dem klaren, blauen Himmel, der unberührten Natur, den Gerüchen von Kräutern, den Tieren, den freundlichen Nomaden. Dann fuhren wir in den Süden in die Wüste Gobi mit der großen Sanddüne, später in den Norden in die Taiga, zum Khuvsgulsee, mit den großen frühlingsgrünen Lärchenwäldern und den mit Küchenschellen übersäten Wiesen.

Zunächst ging es auf asphaltierter Straße, bald auf holpriger Piste in die Steppe. Wir mussten uns an das Gerumpel erst gewöhnen und hätten gerne Haltegriffe gehabt. Zum Hustain Nationalpark wollten wir wegen der Przewalski Pferde, die dort in den 1990er Jahren ausgewildert worden waren. In Zoos konnten sie gezüchtet werden. Die Wildpferde galten in freier Wildbahn seit den 1960er Jahren als ausgestorben. Übrigens unterscheiden sie sich genetisch von den domestizierten Pferden durch 2 zusätzliche Chromosomen. Wir hatten Glück, denn bald sahen wir sie grasen auf den mit vielen Blütenpflanzen und lockerem Birkenbestand bewachsenen Hängen.

Ein Glücksfall, dass wir Ottmar, unseren Ornithologen und Kenner der Flora und Fauna in unserer Mitte hatten. So machte es richtig Spaß, auf alles, „was kriecht und fliegt“ zu achten. Durch sein Wissen wurden aus „Raubvögeln“ Bart- oder Mönchsgeier, Milane und Adler. Über die Wege huschten keine Mäuse, sondern Ziesel. Pfeifhasen, Igel mit großen Ohren, Krötenkopfagamen bemerkten wir nun. Allein 14 verschiedene wildlebende Säugetierarten und 67 Vogelarten hat Ottmar aufgelistet. 

Zehnmal übernachteten wir in verschiedenen Gercamps, den Jurtensiedlungen in schöner Wildnis. Nach kurzer Begrüßungszeremonie mit Milchtee, fühlten wir uns abends Zuhause, inspizierten die Sanitäranlagen, freuten uns aufs Abendessen und in der Taiga im Norden auf die Wärme in der Jurte. Die Betreuer heizten nach Ankunft ein, ganz schnell wurde es mollig warm. Die jungen Frauen und Männer, die die Anlagen in Ordnung halten, waren ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Sie kümmerten sich ums Gepäck. Dann war es Zeit für die Nachtruhe, wenn die harten Betten nicht drückten. Aber das gehört zum Campen, auch, dass es 6-beinige Mitbewohner gab! Am anderen Morgen standen Frauen in traditioneller Tracht am Ausgang und bespritzten die Reifen der Busse mit Milch, der Segen für eine gute Fahrt. Mongolen verehren die Natur mit ihren Geistern und Gottheiten, denen man opfert. Wir konnten nur darauf vertrauen!

Überall im Land, von Nord bis Süd, sahen wir Viehherden: Rinder-, Pferde- , Schaf-, Kaschmirziegenherden in der Steppe, Yaks in der Taiga und Kamele in der Gobi. Die Vegetation ist ganz unterschiedlich, entsprechend der Feuchtigkeit und Beschaffenheit des Bodens. So ändern sich die Farben, fast schwarz bei Schattenbildung durch Wolken. Wir trafen auf eine grüne Insel in der Ödnis, auf einen Garten Eden, in dem Gemüse prächtig gedieh, dank des Bewässerungskanals, dessen kühles Wasser auch unseren Füßen gut tat.

Ein immer wieder neues Erlebnis waren die stundenlangen Autofahrten. Wir genossen die Mittagspausen beim Picknick an schönen Plätzen. Wir bewunderten das artistische Geschick, mit dem die Fahrer die Minibusse auf den stark ausgefahrenen, ausgespülten und teilweise steilen Wegen steuerten. Wir fuhren oft der Staubfahne des vorherfahrenden Autos folgend durch Wadis, deren steile Abhänge hinunter und auf der anderen Seite sofort wieder hinauf. Nie sind wir umgefallen, obgleich wir es manchmal befürchteten. Immer kamen wir heil an, manchmal durch Stopps unterbrochen, weil z. B. der Motor zu heiß war, ein Reifen platt oder die Blattfeder gerissen war. Bis spät abends reparierten sie alles, um am nächsten Tag aufs Neue zu starten. Es bleibt das Geheimnis des Fahrers des ersten Busses unseres kleinen Konvois, wie er ohne Hinweisschilder oder Wegmarkierungen den richtigen Weg fand. Ovoos, aus Steinen und Opfergaben aufgeschichtete Pyramiden mit vielen blauen Bändern, waren sicher Orientierungspunkte. Man muss sie 3 mal mit geheimen Wünschen und Hoffnungen umrunden, was unsere Fahrer auch immer taten, sicher mit Bitte um gute Weiterfahrt.

Karakorum stand auf dem Programm, aber auf keiner Karte ist der Name verzeichnet. Es ist die alte Hauptstadt, die Dschingis Khan gegründet hatte, und sein Sohn Ögedei hatte sie mit Handwerkern aus vielen Ländern ausbauen lassen. Die Stadt wurde zerstört und verfiel, nur 4 Schildkröten aus Granit sind die einzigen Zeugnisse aus dieser Zeit. Später, 1586, wurde hier das buddhistische Kloster Erdene Zuu mit seiner langen Mauer und den 102 Stupas errichtet. Innerhalb der Anlage sind nur wenige Tempel erhalten geblieben, denn in der Stalinära wurden 1937 die Klöster zerstört und die Mönche ermordet.

Die Mongolen sehen sich nicht als Nomaden sondern als Viehzüchter an. Sie ziehen mit den Herden in einem seit Generationen festgelegten Umkreis, während Nomaden immer weiterziehen. So müssen sie ihre Jurten nur wenige Male in einem Sommer versetzen.

Wie lebt man im 21. Jh. in einer Jurte? Wir besuchten eine Familie in ihrer Behausung: Zuerst, Gäste setzen sich, und wenn es auf den Boden ist. Die Frau bot uns Milchtee zur Begrüßung, getrockneten Quark, sauren Rahm und Joghurt an. Wir konnten unsere Fragen stellen. Die eine Jurte ist die Wohn- und Schlafjurte für 6 Personen, die andere zur Aufbewahrung. Der Strom wird mit Photovoltaik erzeugt für alle elektrischen Geräte, einschließlich Fernseher. Das Wasser wird aus einem Brunnen in der Nähe gepumpt, in 5m Tiefe kommen sie schon an Grundwasser. Die beiden Kinder gehen wie alle Kinder in die Schule. Montag bis Freitag leben sie im Internat oder bei Verwandten. Für Kost müssen die Eltern selbst aufkommen, d.h. sie bringen Naturalien. Kinder kommen mit 7 Jahren in die Schule, 8 Schuljahre sind Pflicht. Die Familie hat ein Motorrad, auf dem sie vieles transportieren kann, ansonsten stehen Reitpferde vor der Jurte, ohne jeglichen Sonnenschutz. Das Winterquartier ist im Sum (Dorf). Jetzt fängt schon das Heumachen an, Futter für den langen Winter. Wenn es nicht reicht, hilft der Staat. Übrigens, nach 1992 konnten alle Mongolen 0,7 ha Land vom Staat erwerben.

Nach der politischen Wende sind viele Familien in die Städte gezogen, mit den bekannten sozialen Problemen. Die Regierung hat nun ein Programm aufgelegt, um der Landflucht zu begegnen: Eine Familie bekommt 100 Schafe für 5 Jahre „geliehen“, die gleiche Anzahl müssen sie dann wieder zurückgeben. Was die Züchter erwirtschaften, ist ihr Verdienst: Wolle, Fleisch, Milch, Käse, außerdem eigene Schafe zu einer eigenen Herde.

sanddueneWir bewunderten Naturphänomene wie die hohe Sanddüne in der Wüste Gobi, die wir erklommen haben. Wir stiegen durch die „Glühenden Klippen“, bei denen Saurierskelette und Sauriereier gefunden worden waren. Wie gerne hätten wir die Fossilien gesehen, doch leider war das Naturkundliche Museum in Ulaanbataar geschlossen.

Zu erwähnen wäre noch das “Rendeerer Festival“am Khuvgulsee. Wie die Trommel am Holzstoß endlich warm genug war und den richtigen Ton hatte, um die Geister zu rufen, die der Schamanin im kunstvollen Gewand und Maske ihre Botschaft übermitteln. Außerdem spielten Musiker auf der Pferdekopfgeige typische Melodien. Ein Sänger ließ seinen Obertongesang erklingen. Mongolisch!

Am Ende unseres Nomadenlebens hatten wir einen stimmungsvollen Abschied. Alle Menschen des Gercamps kamen zusammen, stießen mit alkoholischen Getränken an, und sangen zum lodernden Feuer: Israelis, Schweizer, wir und am sangesfestesten unsere mongolischen Betreuer. Ein großer Kreis. Wir sangen abwechselnd in den Sternenhimmel. Schön war's!

Auf dem Weg zum Kleinflughafen Murun hielten wir bei den berühmten Hirschsteinen mit den eingeritzten Tierdarstellungen, vermutlich aus der Bronze- oder Eisenzeit. Eine Ausgräbergruppe suchte nach weiteren Zeugnissen.

Der Buddhismus spielt wieder eine, wenn auch nur langsam zunehmende Rolle im Leben der Mongolen. Wir besuchten u.a. das Gandankloster in Ulaanbaatar, das die Stalinzeit überstanden hatte. Es beeindruckte in seiner Größe und Farbigkeit, besonders mit der 26 m hohen Göttinnenstatue. Rege Geschäftigkeit herrschte im Inneren. In der Klosterschule werden wieder Lamas ausgebildet.

Zum Abschluss unserer Reise haben wir in Ulaanbataar das Naadamfest als Zuschauer miterleben können. Es ist ein traditionelles Fest, an dem sich die Besten messen im Ringen, Bogenschießen und beim Pferderennen. Hier reiten 6- bis 12-jährige Kinder auf 5-jährigen Pferden, ohne Sattel. Mutig! Zum Naadamfest drängelten sich unendlich viele Menschen. Da zeigten sich die jungen Väter ganz liebevoll und trugen stolz ihre Kleinen, die prächtig herausgeputzt waren. Die Mongolen erlebten wir als sehr freundliche Menschen.

Wir haben schöne und interessante Tage in netter Gemeinschaft erlebt. Danke an alle, besonders an Helmut und an unsere örtlichen Reiseleiterinnen Zaya und Ogi.

 

Text: Elisabeth und Annette
Fotos: Gruppenteilnehmer