Im Gegensatz zu Darmstadt ist Southampton weltweit bekannt. In der Schule lernt man, dass 1620 hier die Pilgrim Fathers in die neue Welt aufbrachen, und dass vor genau 100 Jahren die Titanic von dort zu ihrer Jungfernfahrt startete. Das schreckliche Ende ist bekannt. Was nur wenige wissen: Ein Großteil der Besatzungsmitglieder war in der Stadt am Solent beheimatet, und viele, viele Familien verloren Vater, Sohn oder Onkel.
In diesem Jahr bekamen die Bürger nun endlich ein angemessenes Sea-City Museum und die ganze Stadt ehrte die Toten in zahlreichen Gedenkfeiern.
Vielleicht zieht das neue Kulturgebäude jetzt mehr Touristen an, denn dieses Thema wird dort etwas vernachlässigt. Man stelle sich eine deutsche Stadt mit etwa 240.000 Einwohnern vor, die gut erhaltene mittelalterliche Stadtmauern von imposanter Länge hat und nebenbei auch noch das bemerkenswerteste „Eingangstor“ im ganzen Königreich. Hier gibt es Kleinode wie das Museum Tudorhaus mit seinem lauschigen Garten, in dem Pflanzen aus dem 16. Jahrhundert liebevoll gepäppelt werden.
Es gibt, das werden schon mehrere Leute aus eigener Erfahrung wissen, einen riesigen Hafen, in dem man sich einschiffen kann, um in die weite Welt auszulaufen – vorzugsweise in Pötten der Luxusklasse. Etwa 200 Mal im Jahr kann man das Schauspiel einen Steinwurf entfernt erleben und sich beim Tuten vor dem endgültigen Ablegen in ferne Länder träumen. Fürs kleine Portemonnaie gibt es immerhin die Möglichkeit mit dem Speedboot mal eben auf die Isle of Wight überzusetzen und sich im Sommersitz der Königin Victoria – natürlich inklusive gigantischem Park – ein eine andere Welt hineinzuversetzen. (Das wussten auch schon die Beatles, die mit ihrem Lied „When I’m, sixty-four dem schnuckeligen Inselchen ein Denkmal setzten.)
Soweit die Tatsachen. Ein solcher Hafen, denkt man, macht was her und bietet den Touristen Cafés, Pubs, Hafenrundfahrten, Informationen an Ort und Stelle. Fehlanzeige. Das einzige zweistöckige Restaurant, in dem man von der Terrasse aus das Treiben auf dem Wasser verfolgen konnte, schloss vor drei Jahren. Drinnen sieht es böse aus: Ein chaotisches Gewusel von herausgeschlagenen Balken und Rohren bedeckt den Boden. Dazwischen liegt einsam ein halb geschmückter Christbaum. Die Hafenrundfahrt macht man besser im benachbarten Portsmouth, das touristenmäßig viel besser aufgestellt ist und rund ums Thema Seefahrt für Groß und Klein eine Menge an Attraktionen bietet.
Übrigens hat „Soton“, wie es umgangssprachlich heißt, nicht nur viel Wasser zu bieten. Es hat auch eine Universität, die im Ranking seit Jahren unter den weltbesten 100 ist. Das schaffen, nebenbei bemerkt, nicht mal alle deutschen „Elite-Universitäten“, genauer gesagt, nicht mal die Hälfte von ihnen. Und – um eine weitere Umfrage zu zitieren: Es liegt bei jüngeren Menschen in Punkto Lebensqualität an zweiter Stelle hinter London. Das haben auch unsere polnischen Nachbarn erkannt: Jeder zehnte Einwohner ist Pole, und im Stadtteil Shirley scheinen sie sich besonders wohl zu fühlen und machen mit ihren leckeren Lebensmitteln den drei englischen „P“ - Pizza, Pie und Porridge- gewaltig Konkurrenz.
Um noch ein paar Informationen zu bekommen, habe ich das „Tourist Office“ aufgesucht. Früher war es, nicht gerade in bester Citylage, aber immerhin ebenerdig in einem Laden beherbergt. Inzwischen ist es in den Keller der Zentralbibliothek gewandert. Ganz hinten in der Ecke gibt es Tassen der Jubilee-Queen im Sonderangebot. Ein paar Stadtpläne gibt es gratis, ebenso Flyer über alle möglichen Attraktionen der Umgebung. Die Damen sind freundlich und höflich, aber die Fragen nach mehrsprachigen Führungen können sie nicht beantworten. Immerhin gibt es eine Telefonnummer von einem, der mehr weiß.
Als vor einigen Jahren der chice, neue Yachthafen gebaut wurde, deklarierte man ihn als „A City for the New Millenium“. Na gut, das neue Zeitalter dauert ja noch ein Weilchen an. Wait and see. Oder einfach mal selber hinfahren und mir eine Rückmeldung geben!
Und damit verabschiedet sich vom Bloggen
Heidrun Bleeck