Film & Vortrag von Rolf Wollner „Don't forget Woodstock“

Wer mit Woodstock vor allem die Musik, Sex und Drogen sowie chaotisches Lagerleben im Schlamm in Erinnerung hat, kann zur Erweiterung seines Wissens noch einmal mithilfe von Film- und Büchermaterial zu einer neuen Sicht gelangen. Die 1960er Jahre waren - nicht nur in USA - die vielleicht erregendste gesellschaftliche Epoche des vergangenen Jahrhunderts:

John F. Kennedy wurde jüngster Präsident der USA-Geschichte und wird 1963 ermordet. Mit Empörung reagiert die amerikanische Jugend und die westliche Welt auf den Vietnam-Krieg der USA. 1961 beginnt die Weltkarriere der Beatles. Robert Kennedy und Martin Luther King werden 1968 ermordet. In Frankreich und in Deutschland schlagen die Studenten-Unruhen hohe Wellen. Amerikanische Astronauten betreten als die ersten Menschen den Mond. In diese brodelnde Atmosphäre fällt das Musik- und Kunst-Festival Woodstock von 15. bis 17./18. August 1969.

Vier Wochen vor dem Beginn war das Austragungsgelände, das den Höhepunkt der Hippie- Bewegung darstellen sollte, noch nicht sicher, weil in den geplanten Orten starke Proteste der Anwohner aufflammten. Der Farmer Max Yagur war schließlich bereit, sein Gelände auf den Weidewiesen für die Zeit des Ereignisses als Bühne zu überlassen. Nicht in Woodstock, sondern im 70 km entfernten Bethel. Der Andrang der Interessierten stellte hohe Anforderungen an die Organisatoren. Anstelle der erwarteten 50.000 Besucher strömten 450.000 herbei und 100.000 campten dort die drei Tage in Decken und Schlafsäcken. Bei der Anreise zählte man insgesamt 28 km Stau auf den unterschiedlichen Zugangsstraßen.

Zum Auftakt sprach der indische Guru und Friedenaktivist Swami Satchidananta („Liebe Brüder und Schwestern, durch Musik können wir wahre Wunder bewirken…“) und stimmte damit die Menge mit einer emotional-spiritistischen Rede auf die kulturelle Bedeutung und die beispielgebende Wichtigkeit für den Frieden ein. Von den insgesamt 32 Bands, die außer einem 3-stündigen Regenguss planmäßig das Programm einhielten, beeindruckte zu Beginn der indische meisterhafte Sitar-Künstler Ravi Shakar mit einem mitreißenden Stück, (das jetzt die Besucher der AKA-Veranstaltung im Vortragssaal als Filmausschnitt nacherleben konnten).

Über den Verlauf der gesamten Veranstaltung gibt das „Woodstock-Festival“ bei Wikipedia ausführliche Auskunft. Auch die Hintergründe, warum ein Teil der damaligen Avantgarde in Woodstock wegen Uneinigkeit der Manager und Musik- Agenten fehlten, (z.B. The Beatles, Bob Dylan, The Rolling Stones u.a.) sind im Internet erörtert. Höhepunkte des Festivals waren der zweifache Auftritt der damals schwangeren Sängerin Joan Baez und gegen Ende des Events der umjubelte Auftritt des Gitarre-Künstlers Jimmy Hendrix.

Im Zuge der starken Friedens- und Befreiungsimpulse des Festivals wurden zahlreiche Entspannungsmethoden (vor allem Yoga) zunächst in USA und auch bei uns sehr populär. Der aus Calw im Schwarzwald stammende Autor Hermann Hesse erlebte eine heftige Nachfrage; unter anderem sein Roman „Steppenwolf“. Durch den 1990 fertig gestellten und bereits 1991 prämierten Film ‚Woodstock‘ wird die zeitgeschichtlich-internationale Bedeutung des Festivals nachhaltig und glänzend aufbereitet. Die Berliner Journalistin und Buchautorin Bettina Gaus nannte das Festival in Woodstock „ein einendes Ereignis einer ganzen Generation gegen den Krieg, gegen Diskriminierung und gegen Unterdrückung sexueller Wünsche und gegen allzu fest gefügte Lebensentwürfe“.

Walter Schwebel