Vor 30 Jahren führte ihn der Freiheitsdrang eines jungen Mannes und die Anziehungskraft des fernöstlichen Lebensstils nach Indien. Nun war Rolf Wollner als abenteuerlustiger Tourist mit seiner Frau in Nordindien unterwegs und brachte vielfältige Impressionen in Wort und Bild mit.

Um es gleich zu verraten: Für Wollner ist Indien mit Bewohner, Landschaft und Kultur ein äußerst faszinierendes Land und zeigt sich zugleich widersprüchlich. Ein Europäer mag sich der dortigen Lebensweise partiell angleichen können, wird aber nie richtig heimisch bzw. „integriert“ sein. Erst recht als Tourist kann man nur versuchen, in das indische Lebensgefühl einzutauchen. So sind die mitgebrachten Bilder Streiflichter, Puzzlesteine, Momentaufnahmen, die beim Betrachter kaum zu einem umfassenden Ganzen werden können.

Rein äußerlich ist umgekehrt ein deutsches Ehepaar für die Inder exotisch genug, um häufig fotografiert zu werden. Alles ist anders, so dass man sich als Fremder häufig die Gewissensfrage stellt: Verhalten wir uns in der momentanen Situation richtig?

Das Ehepaar Wollner reiste in Eigeninitiative durch Nordindien, mit Rucksack und Reisetasche. Überwiegend benutzten sie dabei die Eisenbahn; sie ist in diesem weiten Land (noch) das Hauptverkehrsmittel. Die markanten Punkte der rund 4000 km langen Rundreise waren natürlich bekannte Sehenswürdigkeiten: die Tempel in Delhi und anderswo, Paläste wie der in Udaipur, das Taj Mahal, der Pilgerort Benares u.a.. Die kleinen Fotoapparate waren immer einsatzbereit. Bemerkenswerter und eindrücklicher als die Architektur waren ihre festgehaltenen Beobachtungen am Rande, sozusagen en passant, verwunderlich das krasse Nebeneinander von Schönem und Abstoßendem. Da gibt es herausragende Sehenswürdigkeiten neben Müllbergen, Pracht-Paläste angrenzend an Armutsviertel, dichter Verkehr mit schlafenden Menschen am Straßenrand, Lethargie neben Hektik, Millionen badende Pilger im vergifteten Ganges. Nachhaltigkeit ist hier ein unbekanntes Wort.

Das Land Indien, das sich westlichem Stil geöffnet hat, lebt im Spagat zwischen Tradition und Moderne. Im Kleinen ist das an der Kleidung der Mittelschicht zu beobachten: Während der Mann ganz westlich und unscheinbar herumläuft, fällt die Ehefrau mit ihrem bunten Sari auf. Während die großen Hotels internationalen Stil mit allem Komfort pflegen, sind die Privatquartiere unscheinbar bis abstoßend. Letzteres haben Wollners am eigenen Leib erfahren müssen, als sie wegen Überbuchung für kurze Zeit ein fast unzumutbares Gastzimmer zugewiesen bekamen. Da tröstet nur ein Spruch, den sie an einem Hotel lasen: „Am Ende wird alles gut. Wenn nicht alles gut ist, ist es nicht zu Ende.“

Ein Beispiel sollten wir Deutsche uns an der indischen Standard-Begrüßung nehmen. Wir haben uns inzwischen das nichtssagende „Hallo“ angewöhnt. Der Inder grüßt durch „Namaste“ sein Gegenüber mit den schönen Worten: „Ich grüße das Göttliche in dir“. Das macht der Rezensent jetzt auch und sagt „Namaste“ zum Leser dieser Zeilen.

kpr