Wietholtz Portrait-120Mehr als 6 Mio Menschen in der Bundesrepublik Deutschland sind an Diabetes erkrankt und die Dunkelziffer ist erheblich. "Altersgerechte Diabetestherapie" war der Titel des Vortrags, den Prof. Dr. med. Hubertus Wietholtz, Direktor der Medizinischen Klinik  für Gastroenterologie, ­Stoffwechselerkrankungen und Pneumologie am Klinikum Darmstadt bei der Akademie 55plus hielt.

90-95% aller Diabetiker leiden an Diabetes mellitus vom Typ 2. Diese Erscheinungsform der Krankheit, die schleichend und zunächst unauffällig auftritt, stand im Mittelpunkt des Vortrags. Oft sind es erst die Folgeerkrankungen, im Extremfall ein Herzinfarkt, die zur Diagnose „Diabetes“ führen.

Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse erzeugt und ist nötig für die Energieversorgung der Körperzellen. Es sorgt dafür, dass Zucker in Form von Glukose von diesen aufgenommen wird und sich der Blutzuckerspiegel nach einer kohlehydrathaltigen Mahlzeit wieder normalisiert.

An Anfang der Erkrankung steht nicht unbedingt eine Verringerung der Insulinproduktion, sondern oft eine zunehmende Insulinresistenz der zu versorgenden Zellen. Das führt dazu, dass weiterhin Insulin produziert wird, aber nicht wirksam werden kann

Neben Veranlagung spielt Übergewicht bei der Insulinresistenz eine große Rolle. Durch Hormone, die im Fettgewebe produziert werden, wird die Insulinempfindlichkeit der Zellen reduziert. Trotz zunächst erhöhter Insulinausschüttung gerät der Zuckerstoffwechsel aus dem Gleichgewicht. Darüber hinaus fördert das überschüssige Insulin die Entstehung neuer Fettzellen. Schließlich lässt die Insulinproduktion nach.

Wenn man die Krankheit in den Griff bekommen will, ist es nicht mit der Verabreichung von Insulin getan. Vielmehr muss auch die Insulinresistenz der Körperzellen durch Reduzierung des Körpergewichts angegangen werden. Gesunde Ernährung und Bewegung reichen zu Beginn der Erkrankung oft schon aus, um das Gleichgewicht wieder herzustellen.

Diabetes tritt häufig auf, ist kostenträchtig und gefährlich, so Prof. Wietholtz. Teuer sind dabei weniger die Medikamente zur Behandlung der Krankheit. Die meisten Kosten verursachen die Folgeerkrankungen,

Je länger die Krankheit andauert, desto wahrscheinlicher ist das Auftreten von Gefäßerkrankungen (Arterien, Herz, Auge, Nieren), Nervenstörungen oder des diabetischen Fußsyndroms mit Empfindungsstörungen, Durchblutungsstörungen und schwer heilenden Wunden.

In der Vergangenheit hat man versucht, die Krankheit und ihre Folgeerscheinungen durch intensive Zuckerkontrolle in den Griff zu bekommen. Nicht übermäßig erfolgreich, was die Vermeidung von Folgeerkrankungen betrifft, wie Prof Wietholtz, gestützt auf Langzeitstudien ans den USA und Großbritannien, anmerkte. Zudem könne eine zu scharfe Einstellung zu einer Unterzuckerung und damit zum Absterben von Hirnzellen und im Extremfall sogar zum Tod führen. Der Trend gehe weg vom „glycocentrischen Weltbild“, bei dem ausschließlich die Reduzierung des Blutzuckerspiegels im Vordergrund stand, zu einer "multimodalen Diabetestherapie": Blutzuckersenkung, Senkung des Blutdrucks und Beeinflussung der Blutfettwerte.

Wie dieses Ziel erreicht wird, hängt von der individuellen Situation des Erkrankten ab. Eine radikale Änderung des Lebensstils in Bezug auf Ernährung und Bewegung, so Prof. Wietholtz, halten mehr als 90% der Betroffenen nicht durch. Unterschiedliche Kombinationen von Medikamenten können zum Einsatz kommen, um die Aufnahmefähigkeit der Körperzellen für Insulin zu verbessern und Sekundärerkrankungen vorzubeugen, bevor eine individuell abgestimmte Insulintherapie wirksam werden kann.

Wichtiger als punktuell gemessene Blutzuckerwerte ist dabei der Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1C), der sich in den roten Blutkörperchen messen lässt, die ca. alle 3 Monate ausgetauscht werden. Er gibt Auskunft über den durchschnittlichen Blutzuckerwert der letzten 4 – 10 Wochen und sollte 7% nicht übersteigen.

marwen