„Da willst du hin? Da ist doch nichts!“ Eine solche Meinung hört derjenige öfters, der nach Ostfriesland zum Urlaub fährt. Darüber hinaus kennt der Durchschnittsdeutsche noch Labskaus, Deiche, Ostfriesen-Witze, Schafe, Krabben und flaches Land mit windschiefen Bäumen, wenn von dem Landstrich zwischen Dollart und Jadebusen die Rede ist.

Es ist Zeit, diese Stereotypen etwas mit mehr Leben auszufüllen, dachte sich der gebürtige Ostfriese Hintner und erstellte einen unterhaltsamen Bilder-/Text-Vortrag für die AKA-Interessierten. Seine Liebe für seine Geburtsheimat war durchgängig spürbar, nicht zuletzt in plattdeutschen Zitaten.

Die Geschichte hat Ostfriesland immer etwas links liegen gelassen. Erst war es kaum bewohnbar, da häufig überflutet und dadurch verändert. Römische Geschichtsbücher erwähnen den Landstrich; Goldfunde zeugen von früher Ansiedelung der vom Norden eingewanderten Friesen. Erst durch auf Warften (künstliche Hügel) erbaute Häuser war das Leben relativ sicher. Stolz ob der schon früh erreichten und lange verteidigten „Friesischen Freiheit“ (keinem Herrn außer dem Kaiser verpflichtet) blieben sie überwiegend Bauern. Sie hegten keine Machtansprüche über ihr Heimatland hinaus. Ihr Hauptfeind war kein anderes Volk, sondern die See, die es galt zurückzuhalten. Ihr rangen sie mühsam das fruchtbare Marschland ab, das sie zum Leben brauchten. Auch wenn sie politisch mal Holland oder Frankreich, Preußen oder dem Haus Hannover zugeordnet wurden: ihre (ost-)friesische Sprache haben sie bis nach den Weltkriegen erhalten. Heutzutage ist sie leider bis auf wenige Ausnahmen ausgestorben.

Die Ostfriesen sind wie die Sorben und Roma nationale Minderheiten in Deutschland, sie haben damit staatlich garantierte Sonderrechte bzgl. Sprache, Kultur, Politik etc. Umgekehrt ist die Pflicht des Küstenschutzes von ihnen an den Staat abgegeben worden. Über Jahrhunderte sind die notwendigen mächtigen Wasserwälle mühsam in Gemeinschaftsarbeit errichtet worden. Nach der großen Sturmflut 1962 sind sie ja noch einmal auf generell rund 9 m erhöht werden.

Typisch friesisch haben die Bewohner sich lange gegen die Christianisierung gewehrt. Heute ist das weitgehend protestantische Land zusätzlich geprägt von vielen Freikirchen (z.B. Mennoniten). Die Kirchen sind nicht prächtig, keine Patronats-, sondern Bauernkirchen: trutzig, wehrhaft, in der Regel sehr massiv aus Feldsteinen oder Klinker. Das Orgelspiel müssen sie geliebt haben. Es gibt eine ganze Reihe von schönen, alten und außergewöhnlich klingenden Orgelinstrumenten in ihren Kirchen.

Übrigens: Das vom bekannten Hamburger Ohnesorg-Theater gesprochene Nord-Deutsch ist keineswegs das friesische Platt-Deutsch. Die Theatersprache ist sogenanntes „missingsch“: eine Mischsprache, die entstand, als der Niederdeutsche versuchte, standarddeutsch zu sprechen. Das echte Plattdeutsch ist eine eigene Sprache wie z.B. dänisch und hat viele eigene Worte hervorgebracht. Erleben kann man es nur noch im Saterland (Landkreis Cloppenburg).

Wer sich für das Essen, den Sport, die Inseln und die Städte Ostfrieslands interessiert, der sei auf den 2. Teil des Vortrags von Herrn Hintner hingewiesen (Kursnr. 7358, 25.11.15, 16 Uhr).

kpr