Peter Wageners Eindrücke von einem Amerika, das nicht nur am aktuellen Präsidentschaftswahlkampf gemessen werden sollte 

„I like to be in America” – welcher Teenager der fünfziger oder sechziger Jahre hätte diesem Song aus „West Side Story“ nicht aus vollem Herzen zugestimmt? Nordamerika, das Trendsetter-Land, stand für Freiheit, Kaugummi, Blue Jeans, Lässigkeit, Rock ‚n‘ Roll und Aufstiegschancen. Und der Soldatensender AFN verstärkte bei den jungen Deutschen noch den Wunsch, dieses Sehnsuchtsland einmal kennenzulernen.

Doch der Glorienschein lässt sich nicht mehr mit den Schlammschlachten vereinbaren, die sich gerade die beiden Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump liefern. Das Magazin „Stern“ sieht Amerika bereits „Vom Traum zum Albtraum“ absteigen.

Peter Wagener schilderte Amerika aus persönlichem Erleben in seinem Vortrag „Mythos USA – Was ist geblieben? Zwischen Faszination und Furor“. Ein Jahr lang hat er mit seiner Familie in Madison (Wisconsin) gewohnt, dort als Uni-Professor und Lehrer gearbeitet und erfahren, dass es keineswegs unmöglich ist, echte Freunde unter den stets gut gelaunten, angeblich so oberflächlichen Amerikanern zu gewinnen.

Zu Beginn seines Lichtbildervortrags begeisterte er sein Aka-Publikum mit Fotos von grandiosen Canyon-Landschaften, die er in diesem Jahr aufgenommen hatte. An jedem Tag seiner Rundreise überwältigte ihn der Anblick bizarrer Steinformationen, unwirklicher Farben und der endlosen Weite auf Neue. Die Dimensionen Amerikas muss man sich immer wieder vor Augen führen: Die Entfernung von Küste zu Küste beträgt 4400 Kilometer.

Mythen stiften Identität, können aber auch falsche Vorstellungen zementieren. So ist in vielen Köpfen (nicht nur der Amerikaner) verankert, dass  Amerika Gottes Land ist, Einwanderern eine Heimat bietet, Abenteuer im Wilden Westen garantiert, den Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär ermöglicht und mit Popkultur, Cola und Hamburgern ein unkompliziertes Leben verheißt. Wagener erklärte, warum amerikanische Universitäten so reich sind: Sie werden von Stiftungen und den Alumnis (früheren, reich gewordenen Absolventen) finanziert, die auch mal 3 Millionen Dollar für einen Coach ihrer Uni-Football-Mannschaft spendieren. Wissenschaft und Fortschritt sind auf Geld und Gönner angewiesen – da verwundert es nicht, dass Wissenschaftler aus Amerika die meisten Nobelpreise eingeheimst haben.

Sohn und Tochter der Wageners gingen auf eine öffentliche Schule und haben sie „in wunderbarer Erinnerung“ behalten. Denn in diesem Bildungssystem gebe es echte Highlights, schilderte Peter Wagener. So habe seine Tochter in Biotechnologie gelernt, wie man Karotten klont. Nicht nur bei den Schülern werde auf Disziplin geachtet, auch die Lehrer könnten sich das Zuspätkommen nicht leisten.

Was ist vom amerikanischen Traum geblieben? Die Macht der multinationalen Konzerne wächst, der Waffenwahn und der latente Rassismus, aber auch der religiöse Fundamentalismus wird stärker und stärker. Düstere Aussichten also, und dennoch glaubt Peter Wagener weiterhin an das Gute im US-Bürger. Graswurzelinitiativen, investigativer Journalismus und der für Amerikaner typische grenzenlose Optimismus könnten zur dringend nötigen Erneuerung des Landes beitragen.

Text: Petra Neumann-Prystaj / Foto: Peter Wagener