Der Vortrag der Pilates-Koryphäe Verena Geweniger (Mühltal) zum obigen Thema verlief anders als von Moderator Peter Wagener angekündigt. Die kenntnisreiche und international erfahrene, gelernte Sportlehrerin wurde Opfer ihrer eigenen sprudelnden Erzählfreude. Dabei waren die begeistert vorgetragenen Informationen stets praxisbezogen und interessant. Überrascht zeigte sich die Referentin, dass sich doch mehr als ein halbes Dutzend Männer unter den Zuhörern befanden.

Wenngleich Frau Geweniger 10 Jahre Vorsitzende des von ihr mitbegründeten Deutschen Pilates-Verbandes war, ist sie keine fundamentale Verfechterin dieser Sportart. Bewegte Bilder zeigten vor Beginn ihrer Ausführungen, wie ein gut trainiertes Muskelsystem die Wirbelsäule gesund erhalten kann. Vier von fünf Patienten in Deutschland leiden an Rückenbeschwerden. Pilates ist zwischen Gymnastik, Yoga und Tanz angesiedelt und misst dem Atem als verbindendes Element einen hohen Stellenwert zu. Natürliches Dehnen und Strecken sind die Grundlage. Hohe Übereinstimmung verriet die Referentin mit der ‚Mutter der Basisgymnastik’, der Wahl-Darmstädterin Margarethe Schmidt. Ebenso erwähnte sie Einflüsse auf ihre Arbeit durch den sehr fortschrittlichen Arzt Dietrich Gronemeyer.

Viele Fortbildungen für Pilateslehrer/innen beschäftigen sich zunächst mit dem bewussten Atmen, das bis zu einem meditativen Niveau empfunden und entwickelt werden muss. Erst danach wird an der Beweglichkeit gearbeitet. Joseph Pilates (1883-1967), ein nach New York ausgewandeter selbstbewusster Gelsenkirchener, nannte seine Methode in USA „Contrology“ und hatte mit einigen Büchern großen Erfolg. Max Schmeling und John F. Kennedy sollen seine bekanntesten Kunden gewesen sein. In den 1980/90 er Jahren begann dann in Deutschland die Popularität der Methode Pilates mit einer Welle von Veröffentlichungen: Pilates-Lehrbücher, Video-Cassetten, das Internet und (seriöse) Beschreibungen in Fachblättern und Zeitschriften geben dem Interessenten bis heute vielseitige Anleitung.

Frau Geweniger empfiehlt vorsichtig und stufenweise mit dem Üben zu beginnen. Zum Beweis ihrer Vorliebe zur Praxis gelang es ihr, trotz der Enge in dem mit fast 50 Zuhörern gut gefüllten Vortragsraum zu je einer Lockerungs- und Balanceübung zu bewegen. Als Kernregeln nennt sie anschließend: harter Boden, Füße an der Wand hochstellen; aus der Rückenlage ohne Armeinsatz aufstehen; häufige leichte Bewegung, auch rhythmisch, also Tanzen und einbeinige Balancierübungen auf dem Bett! Grundsätzlich ist Frau Geweniger bei der Volkskrankheit Rückenbeschwerden kein Freund von Ruhe, Schonung oder gar Operation. Sie warnt vor Schonhaltungen, die sich leicht einschleichen und die Beschwerden chronisch werden lassen. Gerade der Generation 55plus empfiehlt sie tägliche Bewegung, die sich selbst hilft! Damit stellt sich Frau Geweniger eindeutig auf die positive Seite des Sportes, nämlich der Prävention und Rehabilitation, was gegen Ende der Veranstaltung noch eine lebhafte Diskussion auslöst.

Walter Schwebel

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