Richard Löwenherz im Mittelpunkt einer eindrucksvollen Ausstellung

dom zu speyer pepGebieterischer Blick, lockiger Bart, Heldenpose  –  dieses Bild vom jugendlichen Richard I. Plantagenet, genannt Löwenherz, begegnete der  Aka-Gruppe in der alten Kaiserstadt Speyer auf Schritt und Tritt.   
Unter Ingrid Schefflers Leitung besuchten die Darmstädter dort die aktuelle  Ausstellung „König, Ritter, Gefangener“. Die Speyrer Geschäftswelt vermarktet den attraktiven Herrscher in fast allen Schaufenstern. In einer Bäckerei prangt sein Antlitz sogar auf einer Torte.

Allerdings stammt das allgegenwärtige Porträt dieses königlichen Ritters, das auf vielen Plakaten zu sehen ist, aus dem 19. Jahrhundert! Denn es ist nicht überliefert, wie Richard, der schon zu Lebzeiten eine Legende war, wirklich aussah. Er förderte Troubadoure und Chronisten, die seinen Ruhm verbreiteten und seine Tapferkeit lobten.

Die Ausstellung im Historischen Museum der Pfalz versucht, Licht ins Dunkel zu bringen und Tatsachen von Legenden zu trennen. Auf Bildschirmen und mit 180 Exponaten sakraler Kunst wie Reliquienkästchen und Büchern in erleuchteten Vitrinen wird das Leben des englischen Königs nacherzählt. Er kam 1157 in Oxford zur Welt, ist aber in Frankreich aufgewachsen. Mit 14 Jahren wurde er Herzog von Aquitanien, im Jahr 1189 König von England. Sein Reich umfasste England und Teile von Frankreich bis zu den Pyrenäen. Richard konnte Latein, sprach französisch, aber kein Englisch. Er rühmte sich, König Artus‘ Schwert Exkalibur zu besitzen.

Zehn Jahre war er Englands Regent, hielt sich in dieser Zeit aber nur zehn Monate in seinem Reich auf. Bei einem Kreuzzug hinterließ er im Heiligen Land blutige Spuren und eroberte die Mittelmeerküste von Akkon bis Askalon. Dabei soll er den Tod von 2600 gefangenen Muslimen – Männer, Frauen, Kinder – angeordnet haben, weil Sultan Saladin für diese Geiseln nicht schnell genug bezahlte.

Die Museumspädagogen haben sich ein fiktives Reisetagebuch ausgedacht, das Richard während seiner Reise ins Heilige Land in Form eines Blogs geführt haben könnte. Erstaunlich, welch große Strecken er damals zu Pferde oder mit dem Schiff zurückgelegt hat. Auf Zypern heiratete er die Frau, die seine Mutter für ihn ausgesucht hatte: Berengaria von Navarra. Doch er hatte kein großes Interesse an Frauen, und die Ehe blieb kinderlos.

Bei seiner Rückkehr geriet Richard  in Österreich in Gefangenschaft, wurde in Speyer an Kaiser Heinrich VI. übergeben und als Faustpfand der Macht an mehreren Orten – auch drei Wochen auf der Burg Trifels in der Pfalz  – festgehalten. Erst nach über einjähriger Gefangenschaft war es seiner Mutter Eleonore von Aquitanien gelungen,  einen  Großteil des geforderten Lösegelds – 100.000 Silberlinge, das entspricht 23,3 Tonnen Silber, das Doppelte des englischen Staatshaushalts – einzutreiben und ihren Lieblingssohn freizukaufen. Dafür musste sie viele Ländereien verkaufen. Wochen später kehrte Richard nach England zurück und versöhnte sich mit seinem Bruder John Ohneland, der gegen ihn rebelliert hatte. Bei der Belagerung einer Burg wurde er von einem Bogenschützen mit einem Pfeil verletzt. Er starb im Alter von 42 Jahren in den Armen seiner Mutter an Wundbrand und  wurde – wie es sein Wunsch war – im Kloster Fontevraud beigesetzt, zu Füßen der Gräber seiner Eltern.

In der Ausstellung ist ein Bleikästchen zu sehen, in dem lange Zeit sein „Löwenherz“ aufbewahrt wurde. Dass er bis heute unvergessen ist, hängt mit den Filmen über den edlen Räuber Robin Hood zusammen, der für Löwenherz und gegen seinen Bruder John Ohneland gekämpft haben soll – aber wahrscheinlich nur eine Legende ist.  

Petra Neumann-Prystaj