kranichsteiner forst nuesselerWenige Tage nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, das die weitere Rodung des Hambacher Waldes ausschließt, bewegten sich einigeTeilnehmer an der Wanderung  noch etwas bewusster als sonst durch den vielfältig bunten, spätsommerlichen Kranichsteiner Wald. Werner Nüsseler hatte die Wanderung auf dem jagdhistorischen Lehrpfad mit der Biologin Bettina Wurche vereinbart und eine aufgeschlossene Gruppe zusammengebracht.

Nach dem Treffpunkt Jagdschloss war die erste Station der Backhausteich. Er wurde 1567 von Georg dem Ersten eigentlich zum Zwecke der Fischzucht angelegt, wenngleich das Gewässer einen malerischen Reiz in diese Landschaft bringt. Die Fischzucht war für die Ernährung des Hofes wichtig, besonders in den zahlreichen traditionellen Fastenwochen im Jahr. Frau Wurche, von Haus aus Seebiologin, wusste viel zu erzählen von einer demnächst anstehenden großen Sanierung des Teiches und dem Leben einer „treuen“ Muschel, die ernster Beobachtung und Pflege bedarf.

Der junge Landesherr erwarb 1572 das Hofgut Kranichstein, das als Einsiedelrot von Henne Kranich bekannt war. Vor dem vergnüglichen Jagen musste Georg allerdings gehörige Aufbau- und Entwicklungsarbeit leisten und Wild ankaufen, was sich durch aufmerksame Hege zu einem ordentlichen Bestand entwickelte. Nach einigen Baumaßnahmen erwies sich das Schloss, kombiniert mit einem  Wirtschaftshof, als idealer Ausgangpunkt für das Jagen. Das Schloss birgt als Besonderheit einen Rondellturm mit einem Ausblick auf die Jagd zwischen den damals fünf fächerartig angelegten Schneisen. Um besser jagen zu können, forsteten die Landgrafen die Wald- und Weidwege tüchtig auf. Der Jagdbetrieb nahm allerdings auf landwirtschaftliche Anlagen keine Rücksicht und vernichtete achtlos Teile der Ernte der Bauern. Die fürstliche Jagdherrlichkeit wurde erst 1848 durch ein gerechteres Jagdrecht eingeschränkt.

Zu den Jagdformen ist noch eine kritische Anmerkung zu machen: Die Jagd besaß eine hohe Bedeutung im gesellschaftlichen Leben der Landgrafen. Die deutsche Jagd sah vor, dass leibeigene Treiber der Landgrafen das Wild über bekannte Lichtungen und in die Nähe der Jagdgesellschaft trieb und die dort bequem (manchmal sogar im Schutz von Jagdschirmen) sitzenden „Jäger“ ihrer Lust nachkommen konnten. Dieses schaurige Spiel endete mit der Einführung der französischen Perforcejagd, die stets nur einem Hirsch galt. Diese Form schreibt vor, dass die Jäger per Pferd in Begleitung von großen Hunden zwar selbst jagten, aber unterwegs im Wald von Bediensteten verköstig wurden, bevor sie dann den fast zu Tode gehetzten Hirsch erschossen und eine fürstliche Feier folgen ließen.

Die heute zum Lehrpfad ausgebauten Wege bieten interessante Informationen meist anhand aufgestellter Holztafeln. Zum Beispiel an der Stadtförsterwiese, wo einer der ältesten Bäume im Forstamtsbereich, die750-jährige Eiche, Durchmesser 325 cm, die 2005 gefallen ist und seitdem im langsam vermodernden Zustand Vögeln, Insekten und Pilzen einen Lebensort bietet. So ist dieser verwesende Baum, wie viele seiner Zeitgenossen, immer noch ein nützlicher Teil des natürlichen Systems Wald.

Walter Schwebel / Fotos Werner Nüsseler  > Fotoshow