Ein Besuch im Offenbacher Ledermuseum

Wer kennt es nicht, das Bild des Malers Tischbein „Goethe in der römischen Campagna“, das dem Besucher der Frankfurter Schirn unter anderem deshalb irritiert: Der Dichterfürst trägt ganz eindeutig zwei linke Schuhe. Nun wurde das Rätsel um die verdrehten Goethe-Füße gelüftet, und zwar in Offenbach, genauer gesagt im dortigen Ledermuseum, wo die Direktorin des Hauses, Inez Florschütz durch die Ausstellung „STEP BY STEP - Schuh. Design im Wandel“ führte. Organisiert hatte den spannenden Ausflug in die Welt der Fußbekleidung Ingrid Scheffler für eine Aka-Gruppe, die – keine Überraschung - überwiegend aus weiblichen Schuhfans bestand.

Dabei spielten die Herren der Schöpfung bei der Entwicklung des Schuhwerks in früheren Zeiten durchaus eine dominante Rolle. Zum Beispiel bei den Absätzen: Sie wurden erfunden, um dem adligen Reiter auf dem Rücken seines Pferdes Halt zu geben. Apropos Adel: Schuhe waren schon immer auch ein Statussymbol, das Macht demonstrierte. Früher waren es Gold und Silber, das glänzte, heute sind es eher die roten Sohlen von Manolo Blahnik, die auf den roten Teppichen der Welt präsentiert werden.

Das Konzept der Ausstellung überzeugt: Es werden Schuhe von „früher“ mit jenen von „heute“ kontrastiert. Wobei „früher“ sowohl die Antike, als auch das Mittelalter oder das Zeitalter des Barocks umfasst. „Heute“ jedoch setzt nach dem Zweiten Weltkrieg ein und beinhaltet auch die ganz modernen Entwicklungen. So kann man zum Beispiel eine Sandale bestaunen, die 300 n. Chr. ausgegraben wurde. Ihr Pendant ist die unverwüstliche Adilette, ursprünglich für Sportler entwickelt, inzwischen als Flip-Flop für alle Geschlechter und Altersklassen akzeptiert, und zwar nicht nur am Strand.

Vier Schuhtypen stehen im Fokus der Ausstellung: Stiefel, Halbschuh, Sandale und Pantoffel. Sie sind im großen Saal im ersten Stock zu sehen und stammen aus aller Herren Länder, z.B.

  • Pantoffel aus Ägypten aus dem 3. Jahrhundert und deren Nachfolger aus Grönland im 20. Jahrhundert
  • Zehenstegsandalen aus der vorchristlichen Zeit in Peru und Getas im 20. Jahrhundert in Japan
  • Halbschuhe aus Ägypten im 4. Jahrhundert und Sneakers von Nike aus dem Jahr 2015
  • Stiefeletten aus Mainz im 1. Jahrhundert und Moon Boots aus Italien 2019

Zurück zum irritierenden Schuhwerk des Herrn Goethe: Es war nicht der Maler, der vielleicht einen über den Durst getrunken hatte. Es war tatsächlich eine Entwicklung über Jahrhunderte hinweg. Sowohl in der Antike als auch im Mittelalter hatte es sehr wohl unterschiedliche rechte und linke Schuhe gegeben. Dann aber gab es einen Wandel um das Jahr 1500 herum. Vom „Wendeschuh“ wechselte die Gesellschaft zu symmetrischen Modellen, wie den Kuhmaulschuhen, die bis ins 17. Jahrhundert als Unisexschuhe getragen wurden. Man brauchte nur noch einen Leisten, den man für beide Schuhe benutzte. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts fanden die Gesetze der Anatomie wieder Einlass ins Schuhhandwerk.

Wer viel Zeit hat, sollte unbedingt auch die Vitrinen im zweiten Obergeschoss anschauen. Dort setzen sich die Ausstellungsmacherinnen mit Fragestellungen auseinander, die auch in soziologischen oder philosophischen Seminaren durchaus aktuell sein könnten, z.B.

  • Welche Bedeutung haben Schuhe?
  • Wie sexy sind Schuhe?
  • Schuhdesign im Wandel

Darüberhinaus werden aber auch Design-Interessierte gut bedient, denn sie erfahren, wie ein Schuh entsteht, aus welchen Materialien er besteht, wie sich das Schuhdesign wandelt und woher der Absatz kommt.

Wer diesmal nicht dabei sein konnte, dem sei eine Fahrt nach Offenbach in der kalten Jahreszeit wärmstens empfohlen, denn bei dieser Ausstellung im Ledermuseum dürfte es gerade für die Älteren viele Aha-Erlebnisse und Überraschungen geben.

Text: Heidrun Bleeck / Fotos: Ingrid Hirsmüller