Stradivari, Amati und Guaneri - das sind die landläufig bekannten Namen von berühmten Geigenbauern. Dass aber vor mehr als 300 Jahren ein Matteo Goffriller aus Venedig und der Mailänder Grancino ebenso Hervorragendes in Bezug auf Streichinstrumente geschaffen haben und warum gerade Italien im Geigenbau berühmt wurde, erklärte uns anschaulich Wolfgang Kury in seiner Werkstatt in Jugenheim.

Anhand eines Schaukastens und Einzelteilen erklärte uns der Meister den Werdegang einer Geige, die, wenn sie gut aussehen und edel klingen soll, noch (fast) genau so hergestellt wird wie von den alten Geigenbauern - in echter Handarbeit, ohne Hilfe elektrischer Geräte. Gut 20 Jahre abgelagertes, fehlerfreies Holz von Fichten- und Ahornbäumen sind die wichtigsten Rohmaterialien von Decke und Boden der Streichinstrumente. Die zum Teil nur 1,8 mm dünnen, leicht gekrümmten Flächen werden mit Hobeln und Meißeln bearbeitet. Für die Deckenplatte inklusive der Klanglöcher benötigt der Meister allein ein Viertel der rund 230 Arbeitsstunden für eine Spitzengeige. Jahrelange Übung von Hand, Auge, Gehör und Gespür (und nicht nur der Fingerspitzen) sind Richtschnur und Prüforgan für das Bearbeiten eines solchen Werkstücks. Kury sieht sich im übrigen als ein kreativer Gestalter, der eine gewisse Muße bei der Herstellung braucht, wenn er z.B. eine Geige im Stil von Goffriller nachbaut; ein purer Kopist würde den perfekten Instrumentenklang nicht erreichen, weil ein Holzstück nie dem anderen gleiche. So erfuhren wir auch, dass der abschließende Holzlack zwar notwendig ist, aber zugleich Resonanz und Ton des Holzes mehr oder weniger negativ beeinflussen kann. Ein Geigenbauer von Rang muss entsprechend behutsam damit umgehen und stellt sich „seinen“ Lack aus rein natürlichen Bestandteilen selbst her.

In der kleinen Werkstatt konnten wir in das Innere einer echten Grancino-Geige aus dem Jahre 1629 schauen; sie ist zur Zeit der Restauration wegen offen gelegt. Neben der Herstellung von Geigen und Celli (überwiegend für gute Profimusiker) gehören die Restauration und Wartung von Streichinstrumenten zum Tagesgeschäft der Werkstatt. Einzelteile wie das Griffbrett, die Saitenwirbel oder die Bogen werden von anderen Meisterbetrieben fertig geliefert, um sich umso intensiver den wesentlichen Teilen widmen zu können. Ein fertiges Streichinstrument ist - für den Laien überraschend - zunächst noch äußerst spröde stumpf im Klang. Durch monatelanges (Ein-)Spielen wird sie quasi „aus dem Dornröschenschlaf erweckt“, wie der Meister betonte. Erst danach ist sich das Holz seiner ihm zugedachten Klangaufgabe bewusst - und das ist es ja, was der Fachmann und der geschulte Laie an alten Instrumenten so schätzt. Unabhängig davon attestieren die Musiker und Auftraggeber den Geigennachbauten des Meisterbetriebes Kury schon gleich einen erstaunlich runden und ausgewogenen Klang. Dies kann bei dem jährlich organisierten „Werkstatt-Festival“ auf Schloss Heiligenberg von jedem erlebt werden.

Wann nimmt sich schon der Chef eines so kleinen Betriebes die Zeit zu einem 90-minütigen Vortrag inklusive Führung für 12 absolute Laien wie uns? Zur Werkstatt gehören neben ihm nur seine Frau Caroline Krömmelbein und eine weitere Mitarbeiterin, aber alle sind Meister ihres Faches. Die jungen Kinder des Hauses, die uns zwischen den Beinen herumliefen und in der Werkstatt wie selbstverständlich ihren Spielplatz haben, erfahren so hautnah, was ihre Eltern mit ihrer Hände Arbeit herstellen - wer kann das heut noch als Kind erleben?

Alle Teilnehmer der Demonstration waren begeistert von der ruhigen, sachlichen und zugleich hingebungsvollen Art, mit der Wolfgang Kury über seinen alten, aber edlen Handwerksberuf sprach. In dieser Atmosphäre entstehen offensichtlich formschöne, liebenswerte und edle Instrumente besonders gut.
kpr