Mit einem Zentralklärwerk verbinden wir landläufig entsetzlichen Gestank, doch der blieb - bis auf wenige Stellen zum „Nase rümpfen“ - fast ganz aus. Ebenso unerwartet war für alle Teilnehmer am 8. März die packende und trotz 3,5-stündiger Dauer nie langweilige Führung des HSE-Mitarbeiters Dr. Bartl ...
und das über das Thema Abwasser!
Unauffällig leistet der Betrieb seinen Dienst für uns, die Bürger Darmstadts und der hier ansässigen Industrie. Beide Nutzergruppen gebrauchen (verbrauchen ist hier falsch!) ungefähr gleich viel Kubikmeter Wasser, das es zu reinigen gilt. Da auch das in Gullys und Regenrinnen aufgefangene Niederschlagswasser durchläuft, ist das ankommende angeschwemmte Mischwasser-Sortiment überaus vielfältig: neben den bekannten Wasch-, Spül- und Toilettenabfällen findet man Sand, Plastikfetzen, Zigarettenstummel, Q-Tipps, Strumpfhosen, Obstkerne etc. Herr Dr. Bartl machte uns - neben manch lustig-ekeligen Geschichten über kuriose Kanalfunde - dafür sensibel, nicht gedankenlos Kleinteile und Essensreste wegzuspülen. Letztere z.B. sind wahre Leckerbissen für unbeliebte nachträgliche Gäste unserer Mahlzeiten: die (Kanal-) Ratten.
Die jetzige Größe des Klärwerks an der Ausfallstrasse nach Weiterstadt ist natürlich historisch gewachsen: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten 150 Jahre bzgl. der negativen Folgen ungereinigten Brauchwassers führten zu immer neuen Vorschriften und Reinigungsprozeduren. Auch Darmstädter mussten leidvoll erfahren, dass das angeblich geklärte Abwasser des Darmbachs vor 50 Jahren sich nicht zur Felderberieselung eignete, da es mit Krankheitserregern, Schwermetallen, Phosphor u.a. belastet war.
Die Zeiten sind vorbei, aber die Klärung braucht ihre Zeit: Während die festen Bestandteile durch Metallrechen, Sandfang und Vorklärbecken schnell entzogen werden, gibt es unzählige gelöste Bestandteile, denen mit unterschiedlichsten Mitteln parallel oder sukzessive zu Leibe gerückt wird. Neben speziellen chemischen Filtern kommen hier vor allem bakteriologische und mikrobiologische Mittel zum Einsatz (ein 3-mal „Hoch“ den Millionen Bakterien für ihre unermüdliche Arbeit zugunsten unserer Gesundheit!). Dieser Prozess kann in mehreren Becken bis zu 2 Tage dauern.
Nach dem theoretischen Vortrag liefen wir - mit weiteren Details versorgt - den Klärweg unseres Abwassers ab: neben, unter und über uns rauschte, plätscherte und gurgelte es immer mal wieder. Am Ende sahen wir klares Wasser als kraftvollen Darmbach Richtung Rhein abfließen. Es sei zwar kein Trinkwasser, aber ansonsten unbedenklich, wurde uns versichert.
Die Anlage wurde im Laufe der Jahre größer, der Mitarbeiterstamm immer kleiner: 40 Mann sorgen für reibungslosen Verlauf in der Zentrale und im Zweitwerk Eberstadt: Steuerung, Kontrollen, kleine Reparaturen. Die notwendigen elektronischen Mess- und Steuergeräte sowie das Outsourcing haben zur starken Ausdünnung geführt. Aber der Laden läuft - zu unserer aller Gesundheit und Zufriedenheit.
Wegen der kompetenten und sehr locker überbrachten Ausführungen waren Fragen unsererseits fast überflüssig. Alle unsere Unklarheiten wurden von einem „mit allen Wassern gewaschenen“ Abwasserexperten, der seine Arbeit nicht nur mit Humor, sondern offensichtlich mit Passion betreibt, beseitigt.
kpr