Der Besprechungsraum des Justus Liebig Verlages in der Gagernstraße reichte gerade aus, um am 14. März alle Interessierten aufzunehmen. Zu dem 1949 gegründeten Verlag gehört eine moderne Druckerei, dem eigentlich ersten Standbein des Unternehmens. Insofern begann die Veranstaltung dort mit einem von Thomas Reinheimer geführten Rundgang, den auch die nicht technisch informierten Teilnehmer verstehen konnten:
Gravierende Neuerungen haben den Bereich revolutioniert und der ständige Wandel der EDV-Systeme ermöglicht es heute, mittels elektronischer Geräte ganze Seiten in komfortabler Qualität zum Druck vorzubereiten. Mit der bekannten Folge: Wo mit früheren Verfahren drei Personen beschäftigt wurden, arbeitet heute eine Kraft.
Konzeptionell setzte der Verlag nach dem Krieg als Reaktion auf den Marshallplan auf wissenschaftliche Lehrbücher für die Fachrichtung Landwirtschaft. Aber als sich die Bundesrepublik doch nicht auf die Umstellung zum Agrarland einließ, wechselte der Schwerpunkt hinüber zur Darmstädter Kunstszene. Hier erwarb der Verlag schnell sein Profil durch die Herausgabe von Plakaten und Katalogen in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Darmstadt sowie die Publizierung der Arbeiten von Darmstädter Künstlern z. B. Bernd Krimmel, Helmut Lortz und Eberhard Schlotter. Wie Herr Reinheimer ausführte, handelte es sich aber meist um Nischenprodukte, die eine große wirtschaftliche Blüte des Verlags einschränkten. Zeitweise hat die Druckerei den Verlag am Leben erhalten. Erst in der Zusammenarbeit mit der Stadt Darmstadt, zu deren Selbstverständnis es gehört, die örtliche Kulturszene zu fördern, entstanden interessante Projekte, wie die Reihe der „Darmstädter Schriften“, bei der die Stadt die ersten 500 Exemplare jeder Ausgabe übernimmt. Anfang 2012 erschien die Nummer 99 dieser beliebten Reihe. Neben zahlreichen Datterich-Ausgaben, verweist der Verlag gern auf die Fertigung des „Darmstädter Bürgerbuchs“, das nach 1996 eingestellt werden musste und eine Auflage von 51.000 erreichte. Das Bürgerbuch wurde vorher jedem Darmstädter im Jahr seines Erwachsenwerdens ausgehändigt und dient auch heute noch als ideale Grundlage für das Verstehen des politischen und kulturellen Lebens in unserer Stadt. Im Jahre 2011 machte der Justus Liebig Verlag mit der Herausgabe des gigantischen „Zettels Traum“ von Arno Schmidt auf sich aufmerksam.
wsw