elisabeth langgsser 150Ihre Kurzgeschichte „Saisonbeginn“zählt zu den Meisterwerken dieses Genres und fehlt in keiner Anthologie. Ihr Leben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als „Halbjüdin“ ist gezeichnet von den Gräueltaten der Nazis. Posthum bekam sie den Büchnerpreis. Und dann ist sie noch tief verwurzelt mit der Stadt Darmstadt. Die ihrer großen Tochter die verdiente Ehre erweist? Na ja…

Eine Tafel in der Viktoriaschule weist auf sie hin, ein von Efeu überwuchertes Ehrengrab auf dem Alten Friedhof ist ihre letzte Ruhestätte und die nach ihr benannte „Elisabeth-Langgässer-Gesellschaft“ kümmert sich um ihr Vermächtnis. Besonders der Vorsitzende, Karlheinz Müller, vormals Jahrzehnte lang Studienrat an „ihrer“ Schule. Engagiert und höchst kompetent kämpft er auf vielen Vorträgen, Seminaren und Rundgängen dagegen, dass diese bedeutende Autorin so langsam vergessen wird.

So auch bei der Aka, wo er nach einer Einführung ins Leben und Werk der Autorin beim zweiten Treffen zu einem Rundgang auf den Spuren Elisabeth Langgässers einlud. Leider waren nur wenige Literaturbegeisterte zum Treffpunkt im Wolfskehlschen Garten gekommen, einige Angemeldete fehlten unentschuldigt. Die Wenigen aber erwartete ein höchst spannender Rundgang zu drei Wirkungsstätten, die eng mit der Dichterin verbunden sind.

Los ging es am beschaulichen „Teehäuschen“, das einst dem Vater des Dichters Karl Wolfskehl gehört hatte. Der Schriftsteller, der zum George-Kreis gehörte, floh vor den Nazis und starb im Exil in Neuseeland. Das schmucke Häuschen übernahm Martha Ziegler, eine Schauspielerin, die in zahlreichen Filmen der 30er Jahre spielte und mit Elisabeth Langgässer befreundet war. Sie überließ ihr das Quartier für diverse Schäferstündchen mit ihrem Liebhaber Hermann Heller, einem jüdischen Staatsrechtler. Aus dieser Liaison ging die Tochter Cordelia, geboren 1929, hervor, die das KZ in Auschwitz und Theresienstadt nur knapp überlebte und anschließend in Schweden Zuflucht fand.

Zweite Station war die Viktoriaschule. Die Schriftstellerin, die am 23. Februar in Alzey geboren wurde, zog nach dem Tod des Vaters im Jahre 1901 mit Mutter und Bruder nach Darmstadt um, wo die kleine Familie in der Kiesstraße wohnte.1909 machte sie an der Viktoriaschule ihr Abitur und besuchte am gleichen Ort das einjährige Lehrerinnenseminar.. Die nächsten Jahre unterrichtete sie als Volksschullehrerin in Seligenstadt und Griesheim.

In den anschließenden Jahren lebte sie dann in Berlin. Sie veröffentlichte zahlreiche Gedicht- und Prosabände, heiratete den Philosophen Wilhelm Hoffmann, mit dem sie zwei Töchter bekam. Wegen ihrer nicht-arischen Abstammung wurde sie 1936 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen und erhielt Publikationsverbot. Erst 1947 erschien ihr bedeutendster Roman „Das unauslöschliche Siegel.“

Letzte Station schließlich war der Alte Friedhof, wo sie 1950 beigesetzt wurde. Ihr Grab ist an der Mauer, der fröhliche Lärm Fußball spielender GBS-Schüler dringt herüber. Karlheinz Müller hat nachgeforscht, wie ihre Beerdigung abgelaufen ist. Es war nur eine kleine Trauergruppe anwesend, keine landespolitischen Würdenträger erwiesen ihr die letzte Ehre, weder aus Rheinland-Pfalz, wo sie geboren war, noch aus Hessen. Jahre später später schrieb die mit ihr befreundete Schriftstellerin Marie Luise Kaschnitz ein beeindruckendes Gedicht über ihre Beisetzung.
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Karlheinz Müller wird sein lebendiges und kenntnisreiches Langgässer-Seminar in der Aka leider kein zweites Mal anbieten. Wer den exzellenten Literaturkenner und –vermittler trotzdem einmal live erleben möchte, hat dazu demnächst die Gelegenheit:

Am Samstag, den 2. Juni bietet er um 10.30 Uhr eine ganz besondere Veranstaltung an. „Eine Rose für die Dichter“ heißt die Aktion, die den Büchners gewidmet ist:

Luise, Ludwig und Georg Büchner. An den Gräbern von Kasimir Edschmid, Karl Esselborn, Friedrich Ludwig, Heinz-Winfried Sabais, Ernst Kreuder, Wilhelm Michel, Leo Leonhard, Ludwig Büchner und Luise Büchner werden Karlheinz und Dagmar Müller Texte rezitieren und verbindende Erläuterungen geben. Zum Abschluss werden an den betreffenden Grabstätten Rosen niedergelegt. Diese Veranstaltung ist Teil der jährlichen bundesweiten Aktion „Eine Rose für die Dichter.“

HB