Es war klug, den Vortragssaal im Wohnpark Kranichstein am 25. Juni beidseitig bestuhlt gehabt zu haben; das Interesse war groß. Gerade in Zeiten relativen Wohlstands ist die Glückssehnsucht sehr ausgeprägt und nicht über Konsum oder große Geschenke zu befriedigen. Viel eher ist das Glück für den zu finden, der weiß, was er alles nicht braucht. Das erkannte schon vor 2300 Jahren der griechische, aus Samos stammende Philosoph Epikur.
Als Glückslehrer machte er durch ein Hausschild auf seinen Garten in Athen aufmerksam, wo er Schülerinnen und Schülern den Weg zur höchsten Lust zu zeigen wollte. Nach seinem Verständnis wurde dieser Zustand nicht in der einsamen Zurückgezogenheit, sondern beim gemeinsame Kommunizieren und Philosophieren erreicht. Wie andere Philosophen dieser Zeit verschickte er ‚antike Lehrbriefe’, mit deren Hilfe er seine Lehren verbreitete. Tiefgründige Weisheiten sind die Grundlagen seiner Theorien, die zum Glück führen. So zum Beispiel das Suchen der Harmonie, das Erleben der kleinen Freuden in der Natur, Bescheidensein und Selbstgenügsamkeit. Sinnliche Genüsse sollten in einem vernünftigen Rahmen erlebt werden. Wer bei der Übung dieser Tugenden dem größten Übel der Menschen, dem Schmerz zu entgehen lernt, müsse nach Epikur das Glück oder besser, sein Glück finden.
Diese Kernaussagen Epikurs haben heute noch ihre Berechtigung, obwohl sie über die Jahrtausende aus vielen Richtungen kritisiert und angegriffen wurden. Der neue Aka-Vorsitzende, Dieter Heymann, war in seiner Rolle als Referent bemüht, Gegenspieler und Anhänger Epikurs ausgewogen zu beleuchten: Während der frühere USA-Präsident Jefferson das Recht auf Glück jeden Bürgers in die Unabhängigkeitserklärung einwob, blieben Schopenhauer und Kant die Differenzen zu ihren Ansichten wichtig. Karl Marx hält in seiner Doktorarbeit Epikur für einen der größten Aufklärer. Kirchliche Stimmen sprachen sich stets gegen Epikur aus, weil jede Glückseligkeit an Gott gebunden sein müsse. Interessanterweise finden sich - über Jahrhunderte verstreut - philosophische Aussagen, die die Verbindung von Glück und Gesundheit hervorheben. Dazu zitiert Heymann einmal sehr trefflich Voltaire: „Glück ist der Gesundheit förderlich, also habe ich beschlossen, es zu sein!“
Dass das facettenreiche Thema rund um den Glücksphilosophen Epikur nicht in 60 oder 70 Minuten abgeschlossen sein kann, war jedermann verständlich. Umso wertvoller ist eine von Dieter Heymann ausgelegte Literaturliste, die er abschließend in sehr hilfreicher Weise kommentierte. Damit empfahl er die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema zum persönlichen Nutzen. Das Streben nach Lebenszufriedenheit öffnet die Tür für eine bessere Entfaltung positiver Fähigkeiten, so dass Erfolg, Kreativität, Entspanntheit, gewinnende Formen der Kommunikation und Gesundheit eher in glücksorientierten Biografien zu finden sind. In zahlreichen modernen Heilswegen spielt das Glück bzw. das Kleinhalten des Schmerzes durch unsere Lebensweise eine zukunftsweisende Rolle. So gesehen kann, das zunehmende Bekanntwerden von Glückstheorien eine Verringerung von vor allem psychischen Leiden bedeuten. Eine gute Botschaft, die zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema anreizen sollte.
wsw