Man muss ihn bewusst aufsuchen, den Waldfriedhof unserer Stadt, denn es führt keine Verkehrstraße direkt an ihm vorbei. Der Leiter der Abteilung Friedhöfe des Grünflächenamtes zeigte uns am 16. Oktober vor Ort die Historie, den Wandel, Rituale und Vorschriften der Bestattungskultur und anderes mehr auf.
Nomen es omen: 12.000 Bäume prägen den Charakter des mit 33 Hektar größten Darmstädter Friedhofes.
Nachdem die stadtnahen Friedhöfe (Kapellplatz, Alter Friedhof) nicht mehr erweitert werden konnten, entwarf August Buxbaum im Auftrag des Großherzogs eine weitläufige Omega-förmige Anlage. Seit 1914 kann sie für Bestattungen genutzt werden. Durch das monumentale, vom Jugendstil beeinflusste Portalensemble mit Arkaden und den 2 Kapellen betritt der Besucher das symmetrisch erschlossene Gelände. Er fühlt sich zunächst eher in einem Park als auf einem Friedhof. Erst der zweite Blick lässt die zwischen Hecken liegenden Grabstätten erkennen. Es ist ein Ort der Trauer und des Gebetes und zugleich „das Gedächtnis der Stadt“; nebenbei durchaus auch eine Ruhezone für Erholungssuchende.
Ein Plan zeigt die Grabfeld-Bezeichnungen, mit Hilfe dessen gezielt Grabstätten gefunden werden können - ob es eigene Anverwandte oder prominente Darmstädter seien. Zu letzteren führte uns Martin Remmele, von Hause aus Landschaftsarchitekt, jetzt für die Friedhöfe zuständig. Der Architekt Albin Müller, die Politiker-Familie von Brentano, Mitglieder der Familie Merck oder der Professor Erasmus Kittler: jedes der Grabdenkmäler erinnert auf seine eigene Weise an den Verstorbenen. Besonders berührend ist das ökumenische Gemeinschaftsgrab der tot geborenen Kinder. Er ist mit Kleinspielzeug und Engelsfiguren verziert. Der Grabstein regt zum Nachdenken an: „getragen - gegeben -gehalten - genommen“. Das Gemeinschaftsgrab aller Brandnacht-Opfer von 1944 war nicht weniger zu Herzen gehend.
Es zeigte sich, dass viele Teilnehmer der Führung ihre ganz persönlichen Fragen und Unsicherheiten bezüglich Tod und Bestattung haben. Es ist ja ein Thema, das jeden angeht, dem sich jeder rechtzeitig stellen und seine Entscheidungen fällen sollte, so Martin Remmele. Das Friedhofsamt sei gerne jederzeit zu Auskunft und Beratung bereit. Fragen wie Wahl- oder Reihengrab, Urnen- oder Erdbestattung, konventionelles oder Gemeinschaftsgrab, anonym oder mit Stein - es will gut überlegt sein, was für einen selbst und die zurückbleibenden Angehörigen passend ist.
So traurig die Anlässe in der Regel auch sind, manche Anekdote und Kuriosität wusste unser Führer auch zu berichten. Immerhin gilt es für das Amt, die Rituale, Sitten und Verhaltensweisen von verschiedenen Religionen, Volksgruppen und Trauernden zu berücksichtigen. Sorgen bereiten den Gärtnern die Bäume: auch sie sterben zu früh, da ihnen das Grundwasser entzogen wurde und müssen gepflegt bzw. ersetzt werden.
Nach reichlich 3 Stunden ging jeder nach Hause: der eine nachdenklich, der andere froh über die Sonne, die er an diesem Mittag und darüber hinaus noch genießen durfte bzw. darf.
Text und Fotos: kpr