Das Staatstheater spielte Verdis Oper am Freitag 16. November und der leitende Dramaturg des Musiktheaters (R. Schillig) referierte am Montag 19. November über Interessantes zum Werk und der Theaterarbeit.

Freunde eines dekorativen und sehr anschaulichen Bühnenbildes könnten, wenn sie unvorbereitet in diese hochdramatische Oper gehen, angesichts des völlig schwarzen, nach allen Seiten geschlossenen Bühnenkastens murren. ...

Aber schon mit ein wenig Fantasie und Einfühlungsvermögen stellt sich die Verbindung zwischen dem tragischen Geschehen, der tatsächlichen räumlichen Ausweglosigkeit und der Betroffenheit des Zuschauers ein.

Die verworrene Handlung von grenzenloser Liebe und fanatischem Hass, von übersteigerter Familienehre und religiöser Entsagung endet mit dem Tod des Geschwisterpaares Leonora und Don Carlo. Die Liebe bleibt unerfüllt, der Hass hat gesiegt, die Familienehre scheint gerettet, (.. aber wozu? Der Vater starb durch einen versehentlich ausgelösten Schuss bereits im ersten Akt.), auch der Aufenthalt in der Einsiedelei und im Kloster brachten weder Leonora noch dem Geliebten Alvaro den inneren Frieden. Man löse diese Elemente aus dem scheinbaren Schwulst des 19.Jahrhunderts und wird feststellen, dass sie weltweit unvermindert lebendig sind….

Wie bewältigt das die Bühnenbildnerin?

    • die Rückwand öffnet sich ein wenig, ist Ein- und Ausgang und verheißt etwas Hoffnung, durch Flucht aus dem Gefängnis des Schicksals zu entkommen
    • Lichteffekte zeichnen riesige Kreuze auf Rückwand und Boden; hier entscheidet sich Leonora, für den Rest ihres noch jungen Lebens in die Einsiedelei zu gehen
    • eine helle Bühne, eine lange Tafel mit der großkarierten Tischdecke, drum herum zahllose Menschen beim Speisen; die Wand darüber ist nunmehr Schaubild eines Pilgerzuges, den man zunächst nur als Schatten sieht
    • intensives Rot symbolisiert den Krieg
    • sparsamer Gebrauch von Nebel ….und viele andere wunderbare Verwandlungen mehr!
    • und immer wieder der geschlossenen schwarze Bühnenraum – die unausweichliche Umklammerung des Schicksals! ( Nicht einmal die Souffleuse hat Platz auf der Bühne, man musste ihr ein Kabäuschen an der vordersten Ecke der Bühne bauen.)

Das Ansehen, das Verdi auf der Höhe seines Ruhmes, nach RIGOLETTO, TROUBADUR und LA TRAVIATA genoss, ermöglichte ihm, sich die Opernhäuser für seine Werke selbst auszusuchen. In der Kaiserlichen Hofoper in St. Petersburg fand 1862 die Uraufführung von MACHT DES SCHICKSALS statt. Für Mailand überarbeitete der Meister seine Oper ganz wesentlich und ließ sie 1869 aufführen. (In Darmstadt sieht man die Mailänder Fassung.)

DIE MACHT DES SCHICKSALS wurde nicht DIE große Oper wie zum Beispiel AIDA, DON CARLOS und die oben genannten Werke es sind. Trotz wunderbarer Chorpassagen, einigen eindrucksvollen Duetten und Terzetten und der weitestgehend doch bekannten Ouvertüre, haben in ca. 150 Jahren die wirre Handlung, die übersteigerte Religiosität, manche „an den Haaren herbeigezogene“ Szene und die tiefe Ausweglosigkeit nicht die bedingungslose Begeisterung der Zuschauer, Zuhörer und Verdi-Fans wecken können.

„La forza del destino wirkt deshalb wie ein unübersichtlicher Flickenteppich mit schönen Details und bleibt damit innerhalb von Verdis Spätwerk der einzige Problemfall.“ (Reclam Opernführer 377)

Ein Genuss war diese Komposition von instrumentaler und stimmlicher Musik, von Bühnenbild und Beleuchtungskunst trotz dreistündiger Dauer auf jeden Fall.

Der Vortrag und die lebhafte, zum Teil kontroverse Diskussion am Montagabend ergänzten den Eindruck, den die Teilnehmer hatten, die das Stück bereits sahen und erregten neues Interesse bei denen, die den Theaterbesuch noch vor sich haben.
mika