„Ein Sommer in Sibirien“ war der Titel, aber nur sporadisch der Inhalt eines Vortrags von Veronika Schlüter für Aka-Mitglieder am 13. Dezember. „Meine junge Liebe zu Russland“ wäre der bessere Titel gewesen - aber trotz der leichten Themaverfehlung war die Veranstaltung unterhaltsam.
Ein überraschender Anruf in der Viktoriaschule Darmstadt vor 10 Jahren war der Beginn einer außergewöhnlichen Schulpartnerschaft, aus der für Frau Schlüter mehr wurde.
Ein russischer Student versuchte Kontakte zu knüpfen zwischen einer Petersburger und einer Darmstädter Schule. Die Basis sollte der gleiche Bezugspunkt sein: eine Verbindung der Schule zur großherzoglichen Familie derer zu Hessen-Darmstadt und bei Rhein. Der war hier sofort gefunden, denn die Namenspatroninnen und Förderinnen der beiden 2000 km entfernten Schulen waren leibliche Schwestern: Prinzessin Alexandra (genannt „Alix“, letzte Zarin Russlands) und Prinzessin Viktoria, die durch Heirat mit dem englischen Königshof verbandelt.
Frau Schlüter, damals engagierte Lehrerin in der „Viko“, wusste nicht nur amüsante Details des regen Schüleraustauschs zu berichten, sondern erläuterte auch, wie ihr eigenes Interesse an dem heutigen Russland und der Verwobenheit des Darmstädter Herrscherhauses mit dem russischen Zarenhaus und anderen Dynastien wuchs. Die Liebe zu Land und Leuten ließ sie sogar die Sprache lernen und mannigfaltige Reisen unternehmen, eben auch nach Sibirien oder in das ukrainische Odessa.
Für die Vortragende sind die Russen ein ganz eigenes Volk, das zu verstehen und richtig zu nehmen man erst langsam lernen muss, sonst sind ihnen die Ausländer eher gleichgültig. Die jüngste Renaissance für alte Traditionen und Suche nach Wurzeln in der Nachfolge-Ära des unterdrückenden Kommunismus sei in der Bevölkerung sehr stark ausgeprägt. Dies zeige sich besonders bei der ungebrochenen Treue zur russisch-orthodoxen Kirche und der neu entbrannten Liebe des Zarentums und seiner Geschichte.
Ihre Rezitationen aus dem herausgebrachten Buch „ Ein Sommer in Sibirien“, das Schlüters russische Bezugspunkte zusammenfasst und Hintergründe liefert, wurden durch ergänzende Geschichten, Orte und Zusammenhänge erweitert. Das Schloß Heiligenberg und seine russischen Sommergäste im 19. Jahrhundert (Zar Alexander und seine Familie) sind so ein Beispiel. Frau Schlüter musste sich oftmals selbst bremsen („... aber das ist eine andere Geschichte...“ ), um sich in Ihren Schilderungen nicht in Nebenschauplätzen zu verlieren.
Ein Detail am Rande: In Russland ist ihrer Aussage nach deutsche Pünktlichkeit verpönt: man hetzt nicht von Termin zu Termin - man hat dort einfach Zeit. Frau Schlüter hat sich dem offensichtlich inzwischen angepasst: sie braucht selbst offensichtlich auch keine Uhr...
Das Fazit des Vortrags (zugleich auch Nachwort in ihrem Buch): „Mit dem Verstand kann man Russland nicht verstehen, man muss an Russland glauben.“
kpr