Die Lehrlinge müssen kein Instrument spielen können (obwohl es sicher hilfreich sein kann), sie müssen auch keine besondere Begabung mitbringen: das Handwerk „Orgelbauen“ ist praktisch für jeden erlernbar wie der Schreiner-, Schlosser- oder Elektrikerberuf. Aber die Löcher müssen sie mögen - denn ohne sie bleibt eine Orgel stumm. Das und anderes haben wir vom Orgelbauer Klais in Bonn mitgenommen.
Stefan Hilgendorf, als Orgelbaumeister einer von 75 Mitarbeitern, beschrieb uns den 130jährigen Familienbetrieb in seiner Historie, seinem aktuellen Ranking und vor allem anhand der einzelnen Arbeitsgänge und -räume.
Was Johannes Klais bescheiden begann, ist auch heute noch in vielem der Tradition verbunden und trotzdem auch Neuem aufgeschlossen. Das Firmengelände ist seit 1896 am gleichen Ort, dessen Umgebung inzwischen zum reinen Wohngebiet mutierte. Aber ein Umzug kommt nicht infrage, da der Charakter der Werkstätte verloren ging. Während das Team in der Regel parallel an 5 neuen Orgeln arbeitet (neben Reparatur- und Wartungsarbeiten), schafft der Chef in 4. Generation (Philipp Klais) Aufträge aus aller Welt herbei. Und die Auftragslage ist optimal: neben den aktuellen Projekten wie für Christiansand (Norwegen), Leon (Spanien) und Ingelheim ist u.a. dasjenige für die Elbphilharmonie Hamburg bestellt, hat aber bekannter Maßen etwas Zeit.
Ein Orgelbauer muss vieles im Vorfeld einer neue Orgel berücksichtigen: den künftigen Standort, den Raum und dessen Klang, die Architektur der Umgebung und nicht zuletzt den Verwendungszweck (liturgisch oder für Konzerte?) der Orgel. Aus diesen Rahmenbedingungen, den Vorstellungen der Auftraggeber, dem finanziellen Rahmen und der Intuition des Orgel-Fachmanns wird die endgültige Lösung gefunden.
Warum Orgeln teuer sind, wird klar, wenn man weiss, dass 4/5 des Preises Lohnkosten sind: es ist - wie gesagt - echtes Handwerk. Das Holz (vorwiegend heimische Eiche, aber auch Nadel- und Fruchthölzer, alles in A-Qualität) wird vor Ort ausgesucht, ersteigert und muss auf natürliche Weise jahrelang getrocknet werden. Trägerbalken, Spieltisch, Ziergitter, Windladen, Pfeifen u.v.a. werden daraus . Spezielle Holzmischungen bei den Pfeifen ergeben die jeweils gewünschten Klangfarben.
Wer hätte gedacht,dass die Windlade das Herz einer Orgel darstellt? Sie versorgt im Zusammenspiel von Tastatur, Register und Schieber mal eine einzige oder auch ganz viele Pfeifen mit dem Wind (Luft), die zum Orgeln gebraucht wird. Und genau dort in der Windlade befinden sich die unzähligen, präzisen Löcher, die es bei der Erstellung zu lieben gilt. Die Funktionsweise konnten wir an einer „Musterorgel“ (6 Pfeifen, 2 Register, 3 Tasten plus manuellem Blasebalg - s. Bild) verfolgen.
Metallpfeifen haben die Größe vergleichbar mit einem Mini-Strohhalm (klein) bzw. einem überdimensionierten Abluftrohr (groß); sie klingen eher hell und laut. Hier kommen erlernte Schlosserkenntnisse zum Einsatz, denn Klais stellt seine Pfeifen-Bleche aus verschiedenen Zinn-Blei-Legierungen selbst her. Da wird geschmolzen, gegossen, gewalzt, geschabt, geschnitten und gelötet.
Am beeindruckendsten war die fast fertige Orgel für Christiansand, die kurz vor ihrem Transport gerade in der Werkstatt komplett zusammen gebaut wurde: majestätisch in den Ausmaßen, edel in der Ausführung und mit Sicherheit prächtig im Klang.
Das jüngste „fertige Kind“ der Klais-Orgel-Familie konnten wir anschließend in St. Stephan (Mainz) bewundern. Sie wurde erst vor 6 Wochen (ein)geweiht.
Die Orgel steht an der einzigen freien Wand in der der Kirche, um keines der vorhandenen berühmten Chagall-Fenster zu verstellen, und zwar im rechten Querschiff.
Das ungewöhnliche Prospekt gibt das vorherrschende Blau der Fenster in einer faszinierenden Linienspiegelung wieder: auf hohem schmalen weißen Grundkörper mit integriertem Spieltisch bilden auf Glanz polierte, unsymmetrisch angeordnete metallische Pfeifen ganz alleine das Prospekt. Die Orgel wirkt dadurch fast wie eine 16 m hohe Monstranz oder Riesenkelch.
Auf das eigentlich vereinbarte kleine Konzert mussten wir leider verzichten, da der Organist nicht erschien. Doch ein paar Klänge konnten wir beim Hinausgehen aus St. Stephan noch mitnehmen. Ein neuer Besuch zu Konzertzeiten wird das versäumte Nachholen. -kpr-