Es war eine wirklich gute Idee von Walter Schwebel, den allseits bekannten Peter Benz nicht nur zu einem Vortrag über Literatur in Darmstadt einzuladen, sondern ihn auch in ein ausführliches Gespräch zu verwickeln – unter lebhafter Beteiligung des Publikums. So erfuhren die rund 50 Gäste im Literaturhaus nicht nur Wissenswertes über Schriftsteller und ihre Bücher, Preisverleihungen und Wettbewerbe, sondern auch einigen Klatsch und Tratsch -die Darmstädter literarische Szene betreffend.

Es gibt wenige, die sich so gut auskennen in allem, was mit dem Literaturbetrieb zu tun hat – was sich übrigens, das sei gleich bei Peter Benz vornweg anerkennend vermerkt, nicht nur auf Darmstadt, sondern auch auf weite Regionen der Welt bezieht.

Der ehemalige OB wurde in Arheilgen geboren, ist dort zur Schule gegangen, hat als Studienrat an der Justus- Liebig und Bert-Brecht-Schule seine Schüler mit Büchner, Goethe & Co vertraut gemacht und hat auch später, als es in der Politik immer weiter nach oben ging, die Lust an Lyrik und Prosa nie verloren. Ab 1976 war er Stadtrat und übernahm als Dezernent die Verantwortung für die Bereiche Schule, Jugend uns Sport. Ab 1983 fungierte er als Bürgermeister, zehn Jahre später war er der erste gewählte Oberbürgermeister in einer hessischen Großstadt und blieb dies bis 2005.

Seitdem ist er politisch in den Hintergrund getreten, widmet sich allerdings verstärkt und mit großem Engagement seinen Ämtern im Förderkreis Kultur, Buch des Monats, Verein der Freunde des Staatstheaters und natürlich in der Hessischen Spielgemeinschaft.

Wie es kommt, dass die kleine Großstadt Darmstadt einen so exzellenten Ruf in Literaturkreisen hat, erklärte er in einem kurzen Referat.

Schon die Landgräfin Caroline scharte Dichter um sich. Zu ihnen gehörte Goethe, der hier ab und an im Kreis der Empfindsamen weilte. Zum großen Sohn der Stadt, Georg Büchner, bemerkte Benz über die Darmstädter Meinungsträger: Die haben es nie verstanden, bedeutende Leute zu halten. Den Verfasser des Woyzeck hat man ja, wie bekannt, verfolgt und gejagt. Erst 1919 wurde zum ersten Mal ein Stück dieses Autors am hiesigen Theater aufgeführt. Es hieß „Leonce und Lena“, verursachte einen Riesenskandal und wurde schnell wieder abgesetzt.

Die Gründung der Akademie erfolgte 1949 und Darmstadt hatte Glück, den Zuschlag zu bekommen, denn eigentlich sollte die Einrichtung nach Stuttgart gehen. Dies verhinderte Kasimir Edschmid, der als eine Art Literaturagent überall unterwegs war, die Akademie jedoch möglichst wohnortnah ansiedeln wollte. Es gab viele namhafte Preisträger, sogar spätere Literatur- Nobelpreis-Empfänger. Den größten Skandal allerdings verursachte ein deutscher Lyriker: Erich Fried. In seiner Rede geißelte er die „Isolationshaft“ der RAF-Häftlinge. Beim anschließenden Empfang fragte ihn der damalige Oberbürgermeister Metzger, ob er sich nicht schäme, das Preisgeld anzunehmen, woraufhin fast alle geladenen Literaten den Raum verließen – eine Aktion, die das Fernsehen medienwirksam filmte. Es gab dann eine Entschuldigung des Politikers. Vergessen ist das Spektakel jedoch bis heute nicht.

Benz ging außerdem auf die Rolle ein, die Darmstadt als Sitz ganz großer Verlage spielte, die aber leider alle inzwischen in größere Städte abgewandert sind. Besonderen Spaß bereitet ihm seine Aufgabe als Mitglied der Jury im „Buch des Monats“, über das sich neun fachkundige Damen und Herren jedes Mal einigen müssen, was manchmal mit heftigen Diskussionen verbunden ist. Besonders erfreulich, so der Referent, sei es, dass fast immer Bücher ausgewählt würden, die gerade nicht im Mainstream liegen. Hier gab es eine Empfehlung aus dem Publikum: Karl Eugen Schlapp, bekannter Ex-Buchhändler, empfahl den Titel „Der Selbstmordversuch durch Stecknadeln“, geschrieben von Ernst Büchner, dem Vater des Darmstädter Genies.

Einen großen Wunsch äußerte Peter Benz zum Schluss: Er möchte eine Darmstadt-Bibliothek installieren, in der die Bücher der großen Söhne und Töchter der Stadt, aber auch die der diversen Preisträger gesammelt werden. Unter dem Titel „Was macht eine Literaturstadt aus?“ sollte dies eine Begegnungsstätte für alle Literaturinteressierten werden. Vielleicht sogar mit einem kleinen Café?

Es lohnt sich, diesen Gedanken weiterzuspinnen, vielleicht ja sogar in der Aka.

hb