Nach Jahrzehnten unterschiedlicher Nutzung bzw. Leerstand ist seit 2009 die Büchner-Villa in Pfungstadt in nahezu originalem Zustand wieder hergestellt. Die bisherigen Nutzer hatten vieles nur übermalt statt es zu entfernen. Das Haus und Geschichte seiner Bewohner ist ein Zeit-Dokument industrieller Kultur des 19 Jahrhunderts.
Peter Brunner von der Luise-Büchner-Gesellschaft holt weit aus, um die Familien- und Zeitverhältnisse darzulegen. Doch es lohnt sich: in sehr lebendiger Art und Weise versteht es Brunner, die bemerkenswerte und facettenreiche Büchner-Familie zu beschreiben und schließlich bei dem jüngeren Bruder von Georg, nämlich Wilhelm Ludwig Büchner zu landen. Er, der Schulabbrecher, Apothekerlehrling und Chemiestudent ohne Abschluss, wird trotz allem ein reicher Unternehmer, der sich diese Villa auf seinem „Blaufabrik“-Gelände bauen lassen kann, direkt an der Modau.
Eine Portion Glück und Experimentierfreude hatten Wilhelm in die Lage versetzt, auf einfachere Weise blaue Farbstoff (genauer Ultramarin) herzustellen, der in großen Mengen u.a. zum Bleichen gebraucht wurde. Sein Reichtum lässt ihn später sogar bis zum Ehrenamt eines Reichstagsabgeordneten aufsteigen. An seinem Erfolg lässt er seine Arbeiter teilhaben: Eine Betriebskrankenkasse und Tantiemen-Zahlungen für die Mitarbeiter sind Markenzeichen seines fortschrittlichen Unternehmertums. Allerdings musste er kurz vor seinem Tod 1892 auch den Niedergang seiner Fabrik erleben: Aus Öl konnten damals alle Farben noch günstiger produziert werden.
Doch reden wir von der Villa selbst. Von außen eher ein schlichter Kubusbau ist sie im Inneren ein durchaus prächtiges Kleinod. Genauso hat es der Bauherr - entgegen den Absichten des Darmstädter Architekten Harres durchgesetzt. Keller und Küche befinden sich im Tiefparterre, die Belle Etage ist dem Repräsentieren und Speisen reserviert, im 1. Stock haben die 3 Familienmitglieder (Wilhelm, Ehefrau Elisabeth und Sohn Ernst) ihre privaten Räume. Dienstboten gab es im Hause, sie durften aber nicht im Hause wohnen. Der geräumige Salon ist erwartungsgemäß der schönste Raum. Vergoldeter Stuck und gemalte Stilleben in insgesamt sehr hellen Farben sind die hervorstehenden Merkmale einer gehobenen Wohn .
Die Villa bleibt in den Händen der Familie bis 1933. Der neue Besitzer (Stadt Pfungstadt) nutzt die Villa als Verwaltungsgebäude und nach dem Krieg als Unterkunft für sozial schwache Familien, schließlich nutzt sie keiner mehr und sie droht zu zerfallen. In unserem Jahrhundert besinnt sich die Stadt schließlich ihres kulturellen Erbes und saniert aufwändig, aber denkmalgerecht. Der Pfungstädter Peter Brunner und die Gesellschaft, der er angehört, hat dabei tatkräftig und sicher wortgewaltig mitgemischt und die Politiker angespornt - man hört es aus seinen Worten.
Heute wird die Villa für kleinere Veranstaltungen (auch privater Natur) genutzt bzw. vermietet. Ein Besuch des im Keller untergebrachten kleinen Restaurants scheint sich ebenfalls zu lohnen; das hat der Rezensent allerdings (noch) nicht geprüft.
Übrigens: der eigentlich auch vorgesehene Synagogenbesuch in Pfungstadt ist auf Frühjahr 2014 verschoben. -kpr-