Eine Pilgerreise, damit habe ich mich schon früher beschäftigt, unter der Idee, mal ganz alleine für ein paar Tage unter einfachen Bedingungen zu wandern. Da fand ich im letzten Aka-Programm ein Pilgerprojekt, das mich ansprach. Zunächst schilderte Christel Stukowski uns ihre bisherigen Pilgererfahrungen.

In dem Folgekurs fanden sich dann fünf neugierige Interessenten und wir einigten uns auf eine fünftägige Pilgerreise: einen Abschnitt des ökumenischen Pilgerwegs von Erfurt nach Eisenach.

Mit dem Zug fuhren wir am 10. Juli nach Erfurt und fanden leicht den Weg zu unserer ersten Herberge in der Georgenburse des Ev. Augustinerklosters. Es folgten eine interessante zweistündige Stadtführung und eigene Erkundungen. 

Zeitig am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg. Am Domberg fanden wir beim Abstieg die erste Jakobsmuschel (gelb auf blauem Grund), unseren Wegweiser. Allerdings war die Orientierung im Stadtgebiet schwierig. Endlich kamen wir aus der Stadt heraus, jetzt ging es über weite Felder (DDR-Landwirtschaft) kilometerweit geradeaus. Im Garten einer kleinen Dorfkirche machten wir Rast und sangen fröhlich schöne Lieder, sogar Kanons aus dem Stegreif! Das Wetter meinte es gut mit uns, bewölkt und nicht zu heiß. Das zweite Quartier – LebensGut e.V. Cobstädt – lag etwas abseits des Weges – die letzten 2 km fielen uns dann doch schwer! Das kompensierte schnell der nette Empfang im LebensGut. Wir erhielten unsere zwei Zimmer (mit Etagenbetten), konnten duschen und tranken frischen Kräutertee im schönen wilden Garten. Am Abend erläuterte ein Bewohner das Konzept: Familien leben auf dem Land, bemühen sich um Arterhaltung aussterbender Obstbäume, Tomatenpflanzen etc. und alter Handwerkskunst (Schmiede, Töpfern). Zusammen übernahmen wir die Patenschaft für einen Apfelbaum.

Am nächsten Morgen schien die Sonne und nach einer kundigen Führung durch das Gelände des LebensGuts ging es weiter durch endlose Felder, leider oft auch auf asphaltierten Wegen. Wir hatten beschlossen, an diesem Tag getrennt zu laufen. Auf dem Land klappte die Orientierung gut und so fanden alle problemlos zum Rathausplatz in Gotha. Unser drittes Quartier war bei der Ev. Stadtkirchgemeinde in Gotha-West, einem Neu(Platten)baugebiet. Diesmal gab es nur Matratzen, dafür konnten wir aber die komfortable Küche und den schönen Garten nutzen.

Morgens ging es weiter auf dem Pilgerweg, zunächst über einen alten Truppenübungsplatz; dort waren Schüsse auf dem Schießstand zu hören. Nachdem wir den Schießstand mutig passiert hatten, ging es wie am Vortag alleine weiter. Es folgte ein schönes Stück Weg ohne Asphalt, wo ich den richtigen Rhythmus von Laufen und Denken fand, ganz wie gewünscht. Das Ziel war Neufrankenroda bzw. die Familienkommunität SILOAH. Dort bezogen wir unser „Heuhotel“, ein kleines Fachwerkhaus mit 4 Etagenbetten im Erdgeschoss und einem Matratzenlager im Obergeschoss. Das Abendessen bekamen wir zusammen mit den jungen Betreuern im Zeltcamp: Hefefladen auf dem heißen Stein gebacken mit verschiedenen Beilagen. Anschließend führte uns die Leiterin durch die große Anlage. Neben der alten Landwirtschaft mit Obstbäumen (jetzt Bio) und Rindern gibt es viele Projekte zur Kinder- und Jugendbetreuung, bis zu Großcamps mit mehreren tausend Besuchern.

Den letzten Abschnitt liefen wir wieder gemeinsam, wie am ersten Tag. Erst weiter Betonpiste, dann Besuch einer kleinen Kirche, die für uns geöffnet wurde. Eine schöne Kulisse fürs gemeinsame Singen! Bald danach ging es bergauf in die Hörselberge, ein Gebirgszug mit viel geschichtlicher Relevanz. Nach anstrengendem Anstieg auf den großen Hörselberg (484 m) belohnte uns ein grandioser Ausblick auf den Thüringer Wald mit Inselberg und bis zur Wartburg. Am späten Nachmittag kamen wir nach Eisenach, es war die längste Etappe der Tour. Das letzte Quartier war das Ev.-Luth. Diakonissen-Mutterhaus. Am Folgetag blieben noch ein paar Stunden zur Erkundung der Lutherstadt, dann fuhren wir mit dem Zug zurück.

Resümee: eine nette Gruppe, viele interessante Gespräche – auch über unsere Erfahrungen der jeweilige Tagesetappe, neue Informationen in den verschiedenen Quartieren, Wandern mit wenig Gepäck, Zeit zum Nachdenken.

Christiane Schuchard-Ficher