brueder grimm kassel... hieß es für die Aka-Gruppe, die sich mit der Bahn nach Nordhessen aufgemacht hatte – genau wie der ursprünglich „Betroffene“ dieses Spruches. Jener allerdings unfreiwillig. Was es mit dem geflügelten Wort auf sich hatte, erfuhren die Teilnehmer von Aka-Fachleiterin Sigrid Geisen. In Kassel geboren und aufgewachsen, konnte sie den Darmstädtern alle brennenden Fragen souverän beantworten.

Nach einem fundierten historisch-geografischen Kurzreferat führte sie die Gruppe zu gleich zwei Unesco-Kulturerbe-Schätzen, die die 200.000-Einwohnerstadt weltweit bekannt gemacht haben.

„Ab nach Kassel“ hieß es übrigens für Napoleon III. nach der verlorenen Schlacht bei Sedan. Er wurde gefangengenommen und auf das Schloss Wilhelmshöhe gebracht. Der Mann ist nahezu vergessen, der Spruch ist immer noch aktuell. Dass Kassel 600 Jahre lang die Hauptstadt des Kurfürstentums Hessen-Kassel war, lässt sich noch heute erkennen. Residenzen und Schlösser erinnern an den ursprünglichen Glanz des höheren Adels. Allerdings wurde die Stadt im Krieg zerbombt – von den trostlosen Aufbaubemühungen der 50er Jahre zeugen viele Straßen der Innenstadt.

Im 21. Jahrhundert aber wurde Kassel plötzlich weltberühmt. Zweimal verlieh die Unesco ihr den Status „Weltkulturerbe“. 2005 wurde diese Ehre den Handexemplaren der Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm zuteil, in diesem Jahr traf die Ehrung dann das Schloss Wilhelmshöhe mit dem Bergpark.

Beides waren natürlich Anlaufpunkte der Aka-Gruppe. Im Brüder-Grimm-Museum konnte der Kulturerbe-Schatz bestaunt werden. In einer Vitrine – mit mehreren Millionen Euro versichert – konnte man einige der Märchen- und Kommentarbände, versehen mit zahlreichen Notizen des Brüderpaares, bestaunen. Eine locker-informative Führung erklärte viele Details aus deren Leben: Jacob und Wilhelm, geboren 1785 und 1786 – charakterlich übrigens sehr verschieden – hatten sich nie getrennt, selbst nach der Hochzeit des Älteren nicht. Das kam natürlich ihrem Werk zugute. Denn die beiden, die ursprünglich Jura studiert hatten, waren ja nicht nur Märchenforscher, sondern auch Sprachexperten. Der „Grimm“ noch heute das bekannteste Sprachlexikon, ist ihr zweites Lebenswerk. Sie gingen so akribisch vor mit den Erklärungen jedes einzelnen deutschen Wortes, dass sie nur bis zum Buchstaben F – Frucht – kamen und ihr Werk von zahlreichen anderen Linguisten zu Ende gebracht werden musste.

Weltkulturerbe Nummer 2 trägt seinen Titel erst seit zwei Monaten. Die Wasserspiele im Bergpark sind allerdings noch eine Ecke älter als die Märchensammlung. Schon 1691 ließ Landgraf Karl sie installieren. Die Unesco befand – nach endlos langem Bewerbungsmarathon – sie seien ein einmaliges Beispiel monumentaler Wasserbaukunst des europäischen Absolutismus. Und der gigantische Herkules, der das Wasserschauspiel überwacht, sei die „technisch und künstlerisch anspruchsvollste Großskulptur der Frühen Neuzeit.“

Den Titel hat die Stadt an der Fulda nun endlich ergattert. Jetzt muss sich die Tourismusabteilung etwas einfallen lassen. Denn bisher sprudelt es leider nur am Mittwoch und Sonntag anderthalb Stunden lang, und der Weg zum Herkules hinauf ist lang und steil, also nicht unbedingt seniorengerecht. Aber das wird sich sicher auch noch ändern. Immerhin hat es auch bei anderen weltberühmten Vorgängern – siehe zum Beispiel Stonehenge – ziemlich lange gedauert, bis ein Besucherzentrum und ein Shuttle-Dienst den Zugang zur „Hochkultur“ erleichterten und die Freude daran erheblich vergrößerten. Bei den cleveren Kasselern, Kasselanern und Kasselänern geht es hoffentlich schneller.
hb

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