Jahrzehnte kannten (fast) nur Pädagogen das Schloss Heiligenberg oberhalb Seeheims - als Lehrer-Fortbildungsstätte. Nach Renovierung durch das Land Hessen (zugleich der Besitzer) und Übergabe der Nutzungsrechte an eine Stiftung erwacht es aus seinem Dornröschenschlaf. Seine Historie ist erstaunlich, zumal sie eng mit mehreren Herrscherdynastien Europas verknüpft ist.

Wer zu Fuß den Berg erklimmt - an der evangelischen Kirche Seeheims vorbei - wird nach zunächst dichtem Wald von einem Park nebst Teichanlage überrascht und steht auch schon vor dem hübschen, hellen Vierflügelbau Georg Mollers. Der Innenhof mit Brunnen und altem Baumbestand wirkt beruhigend und einladend. Dass der Hof gerne für Freiluftkonzerte und von der Gastronomie genutzt wird, kann man sich gut vorstellen. 

Die Lage des Schlosses mit seiner weiten Sicht ins Rheintal (bei unserer Führung wegen Nebels leider verwehrt) hat der landliebenden Großherzogin Wilhelmine so sehr gefallen, dass sie vor knapp 200 Jahren hierher zog. Da gab es anfangs nur ein bescheidenes Landhaus, das immer mehr erweitert und schließlich um 1865 zur heutigen Form und Stilmischung neu errichtet wurde. Zudem sorgten Wilhelmine und ihre Kinder für eine harmonisch-stimmige Parkanlage, die heute praktisch unversehrt erhalten ist. Unter anderem finden sich dort exotische Bäume, viel Grünfläche, Schwimmbassin mit Badehäuschen, Gartensaal und Aussichtsbalustrade. Nur: die Bäume sind heute viel größer, das Bassin wartet auf Renovierung und der ehemals reich vorhandene Nutzgarten (zur Selbstversorgung) ist verschwunden.

Die umfangreichen und verwickelten Familienverhältnisse lassen sich mangels Platzgründen nicht beschreiben; Interessenten seien an das AKA- und zugleich Stiftungs-Mitglied Veronika Schlüter verwiesen, die den Teilnehmern professionell und historisch beschlagen Auskunft gab, gewürzt mit manch witzigen und pikanten Stories. Es muss hier genügen, dass eines der Kinder von Wilhelmine (Marie) mit dem (späteren) Zar Aleksandr II. verheiratet wurde, der in der Folge mit Familie oft den Sommerurlaub (seine „Sommerfrische“) in Heiligenberg verbrachte. Warum? Weil er sich hier fern von aller Etikette, Staatsräson und Regierungsverantwortung bestens wohl fühlte.
Ein Sohn Wilhelmines, ebenfalls ein Alexander, verband sich per Liebesheirat mit einer bürgerlichen Julie. Ihr wurde der eigentlich unbedeutende und lange ausgestorbene Titel derer zu Battenberg verliehen - doch damit wurde sie (Überraschung!) zur Ahnherrin derer zu „Mountbatten“ (das englische Königshaus läßt grüßen). Deshalb war Prinz Philip schon mehrfach in Heiligenberg zu Gast, in der Regel möglichst unauffällig.

Der hübsche Gartensaal, einst als Begegnungsort europäischer Kaiser errichtet, ist heute der stilgerechte intime Rahmen für Kammermusikkonzerte und kleine Kunstausstellungen. Überhaupt wartet die ganze Schlossanlage darauf entdeckt zu werden: von Musik- und Geschichts-Interessierten, aber auch Ausflüglern und Festgesellschaften: ein Bistro und Gartensaal sind besuch- bzw. buchbar.

Zu guter Letzt sei verraten, woher die Bezeichnung Heiligenberg kommt: Vor rund 750 Jahren war auf diesem Bergrücken ein Kloster gegründet worden, das aber wegen Wassermangels nur schwer unterhalten werden konnte und nicht lange existierte. Die Ruine der Kirche, im 19. Jh. romantisierend verändert, ist noch erhalten und zu besichtigen, zusammen mit einer daneben stehenden 1000jährigen Linde. Jüngeren Datums sind die Grabstätte der Julie und ihrem Alexander sowie das „goldene Kreuz“, ein Ehrenmal für die Großherzogin Wilhelmine.

Text und Galeriebilder: kpr

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