Besuch beim Glockengießer und in Wetzlar
Sehr geehrter Herr Schiller!
Also, mal ehrlich, wenn man’s genau nimmt und dem Augenschein traut, haben Sie uns in Ihrem weltberühmten Gedicht mindestens die Hälfte der Glockenherstellung vorenthalten; (wofür Ihnen Generationen von Schülern auf ewig dankbar sein müssten, weil sie weniger auswendig zu lernen hatten – Müssen die das heute überhaupt noch?)
Jedenfalls wissen jetzt 30 Teilnehmer an der Reihe „Musikinstrumente aus der Nähe betrachtet – Besuch beim Glockengießer“ alles ganz genau!
Herr Kimbel („..ohne Dr. und nicht auf der Flucht…“, wie er selbst sagt), erläuterte den Produktionsvorgang in der großen Werkshalle und „bebilderte“ seinen Vortrag mit launigen Beispielen aus der bürgerlichen Küche, wo es auch staubt, der Kuchen ungleich bräunt und nicht so recht aus der Form will.
Kommt ein Auftrag für eine Glocke in das Büro der Firma Rincken, (seit 1590 in der nunmehr 13. Generation im Familienbesitz), wird zunächst der Chef tätig, indem er den Bestimmungsort der Glocke, den gewünschten Schlagton und den Klang der Geläute in der Umgebung in Erfahrung bringt. Daraus – und mithilfe des Familiengeheimnisses – berechnet er die Form der Schablonen. Sie werden drehbar über dem gemauerten „Kern“ angebracht. Ist dieser Kern durchgetrocknet, (heute mit Gas, nicht mit „Holz vom Fichtenstamme“), wird Lehm, vermischt mit Stroh, Pferdemist und seltener mit Gerstengrannen, per Hand aufgetragen und mit einer zweiten, größeren Schablone sorgfältig in die vorgesehene Form gebracht. Dies entspricht dem Hohlraum der Glocke.
Weitere Umhüllungen heißen „Falsche Glocke“, Trennschicht aus Rindertalg, „Mantel“. Ergänzt werden Kronenformen für die Aufhängung, Dekors oder Schriften. Diese Arbeiten dauern oft Monate lang.
Und DANN ERST, lieber Herr Schiller, werden mehrere Glocken in die Gussgrube gesetzt, mit 250 Jahre alter Erde fixiert (nicht gemauert !) und oben mit Gussrinnen versehen, die zu jeder einzelnen Glockenform führen.
Und JETZT ERST, wird des „Kupfers Brei“ (78%) mit Zinn (22%) auf 1 100°C gekocht und in die vergrabenen Formen gefüllt.
„Gute Reden“ sowie Seufzer der Erleichterung nach gelungenem Guss werden jetzt sicher die letzte Phase der Erkaltung und des Putzens begleiten.
Wir konnten leider nicht sehen, wie „die zähe Glockenspeise“ zum Lobe des Meisters und der Mitarbeiter „auf die rechte Weise“ floss. Dafür müsste die AKA eine Glocke anfertigen lassen.
Ach, lieber Friedrich, wären Sie bei uns Mitglied, wüssten Sie jetzt auch ALLES über die Glocke. Aber ich finde Ihr Gedicht wie es ist, sowieso genial – und ICH kann es auch auswendig!
Liebe Mitglieder, interessieren Sie sich für weitere Musikinstrumente? Für das Sommer-Semester 2014 ist eine Fahrt geplant, die ins Vogtland führt, wo die Blechinstrumentenhersteller ansässig sind. Zeitpunkt und Kosten sind noch nicht abgeklärt.
„Geliehenes“ aus dem ADAC-Kulturführer WETZLAR:
„Beim Gang in die Altstadt sieht man viele freigelegte restaurierte Fachwerkhäuser mit verzierten Balken und Inschriften. …Eine Fülle verschiedener Stilmerkmale prägt Wetzlars Dom…. Zeugnis langwieriger Umbauten und Erweiterungen (und Finanzkrisen ) ist die unvollendete Westfassade“. Am Kornmarkt wohnte für kurze Zeit der junge Goethe, verliebt bis über beide Ohren in Charlotte Buff. „Die Leiden des jungen Werthers“ erinnern an die kurze, unerfüllte Liebe.
Wetzlar – ein Städtchen zum Wiederkommen.
mika