Aka-Kurs „Historische Kriminalgeschichte in Frankfurt“ unter Leitung von Erwin Fendrich
Roswitha Grundmann schmunzelt, wenn den Teilnehmern ihrer Führungen durch Frankfurt beim Stichwort „Historische Kriminalgeschichte“ als erstes Rosemarie Nitribitt einfällt. Die Prostituierte mit dem Pudel und dem schwarzem Mercedes wurde 1957 im Alter von nur 24 Jahren ermordet. Zwei Filme halten die Erinnerung an sie wach und nähren den Verdacht, dass der (nie gefasste) Mörder unter den Reichen und Mächtigen der damaligen Zeit zu suchen ist.
„Mit der Nitribitt hören wir auf“, versprach die Stadtführerin und führte die Aka-Mitglieder vom Römerberg zum Main, dann zum Goethehaus und schließlich in die Stiftstraße, in der die Edelprostituierte gelebt hatte. Roswitha Grundmann erzählte von finsteren Zeiten und einem Strafrecht, das an Grausamkeit kaum zu überbieten war. Falschmünzer wurden „gesotten“, Brandstifter verbrannt, Lügnern wurde die Zunge, Meineidigen die Schwurhand abgeschnitten. Verglichen mit den Todesstrafen Rädern, Ertränken und Vierteilen war das Köpfen geradezu human.
Ein schreckliches Ende nahm der Lebküchner Vinzenz Fettmilch (ca. 1570 bis 1616), der einen – später nach ihm benannten – Aufstand anzettelte. Er und seine Komplizen wurden enthauptet, gevierteilt und noch über den Tod hinaus bestraft, indem ihre Köpfe auf einer Frankfurter Brücke zur Schau gestellt wurden. Auch Goethe (1749 bis 1832) hat sie noch gesehen: „Unter den altertümlichen Resten war mir, von Kindheit an, der auf dem Brückenturm aufgesteckte Schädel eines Staatsverbrechers merkwürdig gewesen, der von dreien oder vieren, wie die leeren eisernen Spitzen auswiesen, seit 1616 sich durch alle Unbilden der Zeit und Witterung erhalten hatte. So oft man von Sachsenhausen nach Frankfurt zurückkehrte, hatte man den Turm vor sich, und der Schädel fiel ins Auge.“
Goethe, der zu dieser Zeit Rechtsanwalt in Frankfurt war, hat die Tragödie der 24 Jahre alten Dienstmagd Susanna Margaretha Brandt aus der Gastwirtschaft „Zum Einhorn“ an der Konstabler Wache genau verfolgt, vielleicht hat er sie sogar persönlich gekannt. Sie war von einem niederländischen Goldschmied geschwängert worden, tötete ihr Neugeborenes nach einer Sturzgeburt im Stall und versuchte, nach Mainz zu fliehen. Aber sie kam nur bis Höchst, weil ihr das Geld ausgegangen war. Die Kindsmörderin wurde an der Hauptwache enthauptet. Sie war das Vorbild für das Gretchen im „Faust“.
Vor dem Gebäude der Hauptwache, heute ein Cafe´, erzählte die Stadtführerin von dem Juristen und Ratsherren Johann Erasmus von Senckenberg (1717 bis 1795), dem prominentesten Häftling der Frankfurter Stadtgeschichte. Ihm wurde Fälschung, Verleumdung, Mordversuch, Aufruhr und die Vergewaltigung seiner Köchin vorgeworfen. Zur Strafe kam er in die Arrestzelle der Hauptwache und verbrachte dort rund 30 Jahre. Da der Staatsgefangene begütert war, konnte er sich sein Essen bringen lassen.
Letzte Station: die Stiftstraße. Das Haus neben dem Eschenheimer Turm, in dem die Nitribitt eine Zwei-Zimmer-Wohnung bewohnte, wirkt heute alles andere als luxuriös. Ein Riesenbett soll sie gehabt haben, berichtet die Legende. Die Polizei hält die Visitenkarten ihrer Gönner noch heute unter Verschluss. Dafür kann es, mutmaßten einige Aka-Mitglieder, doch nur einen Grund geben: dass es Visitenkarten von Prominenten aus Wirtschaft oder Politik sind. Die Nitribitt ist tot, doch ihr Mythos lebt weiter.
pep