Obwohl ich am südlichsten Rand Bessungens aufwuchs, war mir schon früh der Begriff „Kääsglock“ geläufig. Allerdings konnte ich mit dieser despektierlichen Bezeichnung wenig anfangen. Im Haushalt hatten wir so ein Teil nicht und als Kirche? …schwer vorstellbar!

Heute ist das natürlich ganz anders. St. Ludwig heißt die Kirche richtig und man erfährt so einiges über sie in den langen Jahren eines Darmstädter Lebens.

Jedoch nach dem hochinteressanten, sehr informativen Vortrag „Dramaturgie der Kirche – eine spannende Geschichte“, den Herr Pfarrer Dr. Thomas Krenski für die Mitglieder der AKA hielt, ist das für mich noch einmal etwas ganz, ganz anderes.

Führt man Gäste von Auswärts zu diesem katholischen Kirchenbau, der erhöht über der Innenstadt voller Luisen-, Mathilden-, Wilhelms- und Wilhelminenplätzen und –Straßen einen würdigen Ort hat, so hört man oft: Wie das Pantheon in Rom! Richtig! Nur wenige Zentimeter unterscheiden den Durchmesser und die Höhe des stattlichen Baus, den der damalige Landgraf, dann Großherzog unter anderem als Identifikationsmöglichkeit für die katholischen Bürger seines Landes bei dem Architekten Georg Moller in Auftrag gab (1822-1827). Moller wählte bewusst das Pantheon als Vorbild. Kirchen in dieser Form gibt es deutschlandweit nur noch in Berlin und Karlsruhe. (Wikipedia spricht allerdings von einem um 1/5 verkleinerten Maßstab und erwähnt die Anwendung des Goldenen Schnittes bei der Proportion von Rotunde zu Kuppel.)

Leider hat der große Angriff, die Brandnacht vom 11.9.1944, auch die so exponiert stehende Kirche arg in Mitleidenschaft gezogen. Unter anderem brannte die hölzerne Kuppel ab, die Rotunde blieb erhalten. Mit leichten Veränderungen wurde das Gotteshaus 1954/55 wieder aufgebaut und nach der Errichtung des Stahldaches mit Kupferabdeckung (1993) ab ca. 2002 im Inneren neu gestaltet.

Herr Dr. Krenski zeichnete die Dramaturgie der Kirche, beziehungsweise die des Architekten Moller und der Restauratoren in einigen Bereichen für uns nach:

  • Keine Fenster im Baukörper, aber an der höchsten Stelle der Kuppel eine ca. 9m im Durchmesser große Öffnung. (Hier wetterbedingt verglast – in Rom offen) Sie ist mit symbolischer Glaskunst versehen: Gott IST das Licht!
  • Die Bedeutung der Zahlen 7 (heilige Zahl der Juden und Christen), 12 und 28.
  • Pompejianisches Rot (Bezug zur Brandnacht?) der Rotunde trifft auf die Kuppelfarbe Blau.

Von der kirchlichen Architektur einmal abgesehen, begegnet man auch in Musik, Bildender Kunst und Literatur großartigen Werken, die Glaube, Unglauben, Zweifel, Erfüllung oder Trost in Zusammenhang mit der Religion zum Thema haben.

Die Namen Bach und Händel fallen jedem von uns ein, dazu die Reihe der Oratorien- und Requiemkomponisten. Offensichtlich religiös oder in Metaphern und Symbolik versteckt, sind viele Hinweise auch in Opern zu finden.

Ist in der Literatur leichter der Bezug zur Religion zu finden? Wen nennt man einen religiösen Schriftsteller, wer schreibt als Atheist? Ist doch die Bibel das Buch der Bücher!

Aber die Bildende Kunst…für jedermann scheinbar klar und deutlich sichtbar…scheinbar! Drei Kopien von Gemälden hatte Herr Dr. Krenski im Altarraum aufgestellt: Mittig das Werk Salvador Dalis „Bahnhof von Perpignan“, dessen vielschichtiger Inhalt sich den Zuhörern durch die Erklärungen ein Stück weiter erschloss. Auch die vermeintlich eindeutigen Kreuzigungsdarstellungen von Max Beckmann stecken noch voller Zeichen, die zur Interpretation herangezogen werden können: Was bedeutet die Farbe Rot, was meint die Leiter…?

Wort, Musik und Gestaltung sind auch die Mittel des Theaters. Griechen und Römer stellten ihre Schwierigkeiten mit den allmächtigen Göttern dar; Mysterienspiele belehrten im Mittelalter das Volk, das weder lesen noch schreiben konnte. Aufklärung, Romantik, Realismus, Moderne…immer setzten sich die Theaterleute mit den Schwierigkeiten mit ihren und unseren „Göttern“ auseinander. Sogar der kluge Dr. Faustus, der doch Philosophie… und…Theologie durchaus studierte mit heißem Bemühn.

mika