Die Frau hat von ihrem Geld eine Orange gekauft. Ihr Mitbewohner nimmt ihr die Frucht weg und beginnt, sie zu schälen. Daraufhin droht die erboste Frau mit harten Konsequenzen. Mit einem gespielten Streit um eine mitgebrachte Orange eröffneten die Darmstädter Rechtsanwältin Eva Maria Haubner und der in der Entwicklungshilfe tätige Christian Müller ihr Aka-Seminar über den Ablauf einer Mediation.
Beide haben sich in dieser Methode der Vermittlung zwischen Konfliktparteien ausbilden lassen und anschließend die Erfahrung gemacht, dass die erlernten Gesprächstechniken auch im Berufs- und Privatleben von großem Nutzen sein können.
Als Mediation bezeichnet wird ein „strukturierter Verhandlungsprozess, in dem die Konfliktparteien mit Hilfe eines neutralen Dritten eine einvernehmliche, zukunftsorientierte Vereinbarung erarbeiten“. Diese Vereinbarung ist so verbindlich wie ein Gerichtsurteil. Während der Mediation darf allerdings kein gleichzeitiges juristisches Verfahren im Gang sein. Und: Beide Medianten müssen freiwillig an den Gesprächen teilnehmen.
Die Mediation verläuft in mehreren Etappen. Auf das Erstgespräch folgen Themensammlung, Interessenklärung, Lösungssuche und schließlich die Abfassung einer Vereinbarung. Diese ist so formuliert, dass sie durchführbar und tragfähig ist. Die Kunst des Mediators besteht darin, aus den Vorwürfen, die im Gespräch mit den Konfliktparteien formuliert werden, das eigentliche Thema herauszuhören, das Knäuel der Interessen zu entwirren und Gefühle in Wünsche zu übersetzen.
Für viele Medianten sei es eine Wohltat, dass ihnen aktiv zugehört werde, sagten die Referenten. Jeder soll im Verlauf der Gespräche die Bedürfnisse des anderen begreifen lernen. Dabei komme oft viel Positives zur Sprache, berichtet Rechtsanwältin Haubner. Einem in Scheidung lebenden Paar kann zum Beispiel bewusst werden, wie viel der eine dem anderen zu verdanken hat. Manche Vereinbarungsergebnisse fallen mitunter günstiger für den finanziell Schwächeren aus, als es die Gesetzeslage verlangt.
In Trennung lebenden Paaren wird empfohlen, vor dem Scheidungsverfahren an einer Mediation teilzunehmen, um alle Streitfragen zu klären. Das ist nervenschonender und kostengünstiger, als emotionale Verletzungen in einem Rosenkrieg vor Gericht auszutragen. Mediation wird nach Stunden bezahlt – in der Regel von den Konfliktparteien selbst - und nicht nach Streitwert.
Mediation ersetzt allerdings keine Therapie. Es geht nicht darum, die Vergangenheit zu analysieren. Auch macht der Mediator keinen eigenen Vorschlag zur Konfliktlösung: Die Beteiligten sollen sie selbst finden. „Alles, was man rechtlich regeln könnte, kann man mit Mediation regeln“, versichern Haubner und Müller, die bei Mediationen manchmal zu zweit auftreten. Alles, was mit Emotionen oder Sexualität zu tun habe, sei dagegen kaum verhandelbar.
Anders als vor Gericht geht es um direkte Kommunikation, um eigene Interessen, nicht um rechtliche Positionen. Alle Parteien werden aktiv an der Lösung beteiligt, und vielen bietet die Mediation die Chance, den Konflikt während der Gespräche besser zu verarbeiten.
Der Streit um die Orange könnte folgendermaßen ausgehen: Der Mann ist eigentlich nur am Saft interessiert, die Frau nur an der Orangenschale, weil sie einen Kuchen backen will. Sind die Interessen erst einmal erkannt und benannt, löst sich der Konflikt in Wohlgefallen auf: Beide bekommen, was sie sich wünschen.
Zum Schluss der Veranstaltung blieb nur eine Frage offen: Wo findet man einen Mediator? Die Antwort: im Internet, bei der Ehe- und Familienberatung, bei Caritas und Diakonie, Pro Familia und am Gericht.
pep