„Ein guter Maler ist inwendig voller Figur(en)... und so hat er aus den inneren Ideen immer etwas Neues durch sein Werk zu schaffen“. So schrieb Albrecht Dürer vor 500 Jahren, wenn auch damals in Mittelhochdeutsch. Was aus seinem eigenen Inneren vor allem auf grafischen Gebiet hervorsprudelte, zeigt die momentane Dürer-Schau im Frankfurter Städel.
Die Ausstellung folgt keiner strengen Chronologie, sondern präsentiert seine Werke im Vergleich zu den künstlerischen bzw. gesellschaftlichen Strömungen seiner Zeit (vor und nach 1500). Diese Zeitspanne war geprägt von mancherlei gravierenden Ereignissen: Jahrhundertwechsel mit Weltuntergangs-Befürchtungen, Reformation, Bauernaufstand u.a.. Dürer hat die Situation und die Ängste seiner Zeitgenossen geschickt zu nutzen gewusst, indem er ihnen die Bilder lieferte, die sie im jeweiligen Zusammenhang sehen wollten. Selbst dem damals neuen Medium Flugblatt, einer Art Bildzeitung des Mittelalters, verschließt er sich nicht.
Dem Besucher wird im Städel-Museum vor Augen geführt, zu welcher Meisterschaft es der noch junge Maler brachte, und zwar zeitgleich in allen damals gängigen Maltechniken. Obwohl (oder gerade deswegen?) zuerst Goldschmied sind alle folgenden Kunstwerke in Ölfarbe, mit Kupferstich, Holzschnitt, Radierung oder Tuschefeder frappierend und faszinieren mit ihrem Ausdruck, zu jener Zeit und heute nicht minder. Dürer musste sich zeitlebens gegen Raubkopien in ganz Europa wehren, so bekannt und beliebt waren seine Werke. Er selbst wusste sie mit Hilfe der noch jungen Druckkunst geschickt zu vervielfältigen und zu vermarkten. Es lohnt sich ganz nahe an die Kunstwerke heranzugehen; zum Glück ist das auch in Frankfurt erlaubt. Bei diesem genauem Hinsehen werden erst die vielen Linien und Schraffierungen einer Grafik sichtbar, die den raffinierten Licht- und Schattenwirkungen, der Perspektive, ja der ganzen Bildkomposition zu Grunde gelegt sind.
Die Führung durch die Schau war übrigens angenehm sachlich und kompetent. Es musste nicht erst darauf hingewiesen werden, dass trotzdem in einer Stunde keine umfassende Darstellung möglich war bzw. nur eine begrenzte Auswahl des Städelschen Besitzes an Dürer-Werken gezeigt werden kann. So bleibt vieles der eigenen Erkundung überlassen. Ein sogenannter Meisterstich ist das bekannte Bild „Melencolia“ (Melancholie), das an Einzelheiten überbordet. Das nachdenkliche da sitzende Flügelwesen sowie magisches Quadrat, Sanduhr, Hobel, Zirkel u.v.a. hat Heerscharen von Autoren zu Interpretationen und Mutmaßungen veranlasst; trotzdem bleibt hier das „Innere“ des Malers, seine eigentliche Intention größtenteils verborgen. Ähnliches gilt für das hier gezeigte Bild „Ritter, Tod und Teufel“. Die millionenfach kopierten „Betenden Hände“ als Grafik sind in der Ausstellung nicht zu sehen; sie sind ja auch „nur“ eine Vorstudie des Meisters gewesen. Im Altarbild für den Frankfurter Jakob Heller hat sie Dürer oder einer seiner Schüler verarbeitet (wenn man so sagen darf): Eine anbetende Gestalt wurde dort mit dieser Handhaltung versehen. Diesen Altar kann man bewundern.
An seinem monumentalsten grafischen Werk, der „Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I.“ arbeitete die ganze Werkstatt Albrecht Dürers mehrere Jahre. Mehr als 200 Druckstöcke und über hundert großformatige Papiere waren nötig, um einen kompletten Satz herzustellen: in der Summe eine Fläche von 15 qm. In detailreichen Bildern, komponiert zu einem 3,60 m hohen Portal, wird Leben und Werk des Kaisers geehrt. Der tief beeindruckte Maximilian zahlte dem Künstler keinen direkten Lohn, sorgte aber dafür, dass er eine großzügig bemessene lebenslange Rente von jährlich 100 Gulden erhielt. So was würde dem Rezensenten auch gut gefallen, aber nicht jeder ist ein Dürer...
kpr