Die Marie-Trier-Straße in Darmstadt war nicht vielen bei der gut besuchten Veranstaltung im Vortragssaal bekannt - und auch nicht die dazu gehörende beeindruckende Familiengeschichte. Die engagierten Ausführungen der Referentin Michaela Rützel (Arbeitskreis Stolpersteine in Darmstadt) stießen auf großes Interesse und waren ein Beitrag zum Erinnern und Gedenken.

Frau Rützel zeigte an dem bewegenden Schicksal der Familie Trier auf, „wie eine jüdische Familie über 200 Jahre in Darmstadt lebte und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Stadt mit gestaltete, bis zu ihrer Vertreibung und Ermordung im Nationalsozialismus“.  

Der Stammvater der Unternehmerfamilie Jakob Trier kam schon im 18. Jahrhundert nach Darmstadt. Das Toleranzedikt des Landgrafen von 1795 duldete Juden, die eine erhebliche Summe für die Aufnahme nach Darmstadt zahlen mussten. Der Landgraf hatte zweifelsohne finanzielle Interessen und sah in den Juden eine willkommene Geldquelle, die ortsansässigen Händler dagegen sahen Konkurrenten. Schon damals hatten die Triers unter Antisemitismus zu leiden, wurden von gesellschaftlichen Verlierern angefeindet. Juristisch waren die Juden immer noch „Schutzjuden“ mit geminderten Rechten.

1820 erhielt Jakob Trier die Bürgerrechte der Residenzstadt – ein hoheitlicher Akt. Die 2. und 3. Generation der jüdischen Familien waren noch vollständig im Handelsgewerbe tätig, erst die 5. Generation ergriff auch andere Berufe. Die Triers lebten bis 1840 in der Altstadt, dem Schwerpunkt der jüdischen Ansiedlungen in Darmstadt um 1800.

Juden – so auch die Triers - hatten bedeutenden Anteil am wirtschaftlichen Aufstieg Darmstadts, waren vorbildliche Bürger, wurden aber auch angefeindet, denn „Musterschüler sind nicht beliebt“, so die Referentin Michaela Rützel. Viele hatten wichtige Positionen inne, übernahmen Verantwortung für das Gemeinwohl und waren gesellschaftlich engagiert. Aber bei der Reichstagswahl 1898 stimmten fast 25% der Darmstädter für den Verein Antisemitismus.

Bei der wirtschaftlichen Entwicklung der Familie Trier bildeten sich zwei Linien heraus, Eisengroßhandel und Möbelgroßhandel, die Triers gründeten Stiftungen und waren in Vereinen tätig.

Die Eisenhandlung Trier blieb ein Familienunternehmen. Eisen-Trier baute seine Geschäfte aus, am Markt und in der Rheinstraße. 1933 erfolgte die Arisierung der Firma Trier, ab da hieß die Firma Eisen-Rieg. Darmstadt galt als eine Stadt, in der die Arisierung „rasch und durchschlagend vorangeschritten“ war.

Josef Trier führte eine Möbelhandlung in der Wilhelminenstraße: Hofmöbelhandlung Trier, erst nur Verkauf, bald auch Fertigung. Die Möbelhandlung war unter den ersten Firmen im In- und Ausland, eine im Zeichen des Jugendstils bekannt gewordene Möbelfabrik. Beispiel für gelungene jüdische Integration und Emanzipation. Ernst Josef und Walther Trier übernahmen nach dem 1. Weltkrieg die Firma, auch sie beteiligten sich gemäß der Familientradition am öffentlichen Leben. Ab Anfang März 1933 zeigte der Darmstädter Boykott seine Wirkung, 1934 mussten die Triers auch dieses Geschäft aufgeben.

Von der Familie Trier lebt niemand mehr in Darmstadt. Viele konnten fliehen, 6 Familienmitglieder wurden ermordet. In Darmstadt erinnern Stolpersteine an Ernst Trier und Marie und Anneliese Trier. Ernst Trier wurde von den Nazis wegen angeblicher Devisenvergehen verhaftet. Da er nicht von einem fairen Prozess ausging, nahm er sich im Gefängnis das Leben.

Marie Trier führte einen vielbeachteten literarischen Zirkel in Darmstadt. Sie lebte in Vertrauen auf das Volk der Dichter und Denker und blieb. Ihr Mann und ihr Sohn konnten nach England fliehen. Marie Trier wurde mit ihrer Tochter Anneliese 1941 deportiert. Beide kamen in einem Vernichtungslager um.

Mit den Stolpersteinen wird an die Menschen erinnert, die in der Nazizeit verfolgt, vertrieben und vernichtet wurden. Zusammen mit dem Kulturamt der Stadt organisiert der Arbeitskreis Stolpersteine deren Verlegung. Der Arbeitskreis Stolpersteine recherchiert die biografischen Daten der Opfer.

Die Stolpersteine und ihre Verlegung werden finanziert durch Paten, die für einen Erinnerungsstein 120 € bezahlen. Paten werden auch weiterhin gesucht. Wenn Sie Interesse haben, das Projekt zu unterstützen, wenden sich an Bernhard Baum, Kulturamt der Wissenschaftsstadt Darmstadt, Telefon 06151-133336, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Gedenkorte bestehender Stolpersteine können auf dem interaktiven Stadtplan auf der Homepage www.cityguide-darmstadt.de (Suchbegriff „Stolpersteine“) nachgesehen werden.

sg