Die Reihe „Aka im Gespräch“ debütiert mit der ‚BüchnerBühne Riedstadt’
„Braucht die Welt noch ein Theater?“ Auf diese kurze Frage der Moderatorin Karin Poetsch skizzierte der Initiator und Spielleiter der BüchnerBühne Riedstadt, Christian Suhr, seine Biografie: Abi 1982 in Groß Gerau, 20 Jahre Theater in Berlin, starker Einfluss von Heiner Müller, Familiengründung und Rückkehr nach Riedstadt, seiner Heimat und Georg Büchners Geburtsort.
Suhr schildert die absolut bescheidenen Anfänge in seiner Wohnung und die zaghafte Ermutigung des damaligen Riedstädter Bürgermeisters, der ein altes Feuerwehrgerätehaus freiwerden sah. Heute umfasst sein Ensemble 12 Schauspieler aus Freunden, Bekannten und Kollegen; sie haben 22 anspruchsvolle Stücke von u. a. Shakespeare, Kafka, Wedekind und natürlich Büchner im Repertoire. Suhr beschreibt seine Gründungsmotivation als eine innere Notwendigkeit, ein Theater mit einer Beziehung zu den Menschen in dieser Region zu schaffen, das ihm erlaubt, er selbst zu bleiben und möglichst seine Existenz sichert. Er nennt sein Theater ein ‚Labor für soziale Fantasie’ und räumt ein, in Anspielung auf Büchner, mit diesen Ideen, zu anderen Zeiten leicht in der Klapse oder im Knast hätte landen können. Wenngleich eine sichtbare Integration der Bürger einzelner Riedstadtgemeinden untereinander und sogar über den Rhein zur Landeshauptstadt Mainz zu erkennen sei, müsse sich das Theater seine Nachfrage erst noch erarbeiten.
Die derzeitige Produktion „Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit!“ bezieht ihre Spannung nicht nur aus den Losungsworten der Französischen Revolution, sondern ist ein europapolitisches und künstlerisches Experiment an dem drei Länder gleichzeitig, aber getrennt arbeiten. Die BüchnerBühne Riedstadt schloss sich mit einem polnischen und einem französischen Theater zusammen, wobei jedes Land Szenen zu den bekannten Losungsworten aus Büchners „Dantons Tod“ spielten: Die Franzosen übernahmen den 1. Akt „Freiheit“, danach die Deutschen – auch geografisch in der Mitte - „Gleichheit“ und die polnischen Theaterfreunde runden das Experiment mit der „Brüderlichkeit“ im 3. Akt ab. Jede Gruppe hat einen 50-Minuten-Zeitrahmen, spielt in ihrer Landessprache und soll auch die landestypische dramaturgische Ästhetik beibehalten. Die Premiere lief Ende 2013 im Schloss Dornberg bei Groß Gerau.
Man konnte sehen, wie viele Antworten gleichzeitig aus Suhr herauswollten, als ihn eine Besucherin nach den neuen Erfahrungen beim Einstudieren dieses „Dreiländerstücks“ fragte. Ohne Englisch sei die Arbeit vielleicht zusammengebrochen, aber allen Beteiligten war bewusst, dass man aufeinander angewiesen sei. Gerührt zeigte sich Suhr beim Zitat eines älteren Premiere-Besuchers, der eingedenk der Weltkriege und angesichts dieser Arbeit sagte: “Jetzt hört die Generation der Mörder auf …“.
Im Vorfeld der Europa-Wahl im Mai d. J. diene die Konfrontation mit diesem und ähnlichen Projekten einer Überprüfung, wie weit unsere internationale Identität schon entwickelt sei.
Das ganze Projekt wird von der Europäischen Union gefördert. Protokolle, Berichte und Filme dokumentieren den Verlauf.
ws
In Darmstadt wird das Stück in den Kammerspielen des Staatstheaters am 21. und 22. Februar um 20:00 Uhr gespielt. Einige Karten sind noch erhältlich (22 €).
Am Samstag, den 22. Februar laden die drei beteiligten Theaterensembles zu einer Diskussionsveranstaltung ein. Sie findet unter dem Titel „Das Europa der Kriegskinder“ um 14.00 Uhr in der BüchnerBühne in Riedstadt-Leeheim, Kirchstraße 16 statt. Eintritt frei.