Am 9. November 1938 zündeten die Nazis in ganz Deutschland Synagogen und jüdische Geschäfte an. Auch in Darmstadt. 50 Jahre später wurde dort eine neue Synagoge eingeweiht, die im letzten Jahr ihr 25jähriges Bestehen feierte. Diese Synagoge, bezahlt von der Stadt und vielen Spendern, war Ziel einer Aka-Exkursion. Die Kursleiterin Friedel Lausberg informierte kurz über die Geschichte der neuen Synagoge in der Wilhelm-Glässing-Straße.

Nach dem einstimmigen Beschluss der Stadtverordneten für den Bau lud die Stadt fünf jüdische Architekten zu einem Wettbewerb ein, aus dem der Frankfurter Alfred Jacoby als Sieger hervorging.

Durch die Synagoge führte uns der evangelische Theologe Rüdiger Grundmann. Neben dem Gottesdienstraum bietet das Gebäude verschiedene Möglichkeiten für Gemeindefeste, Veranstaltungen, Treffen oder Unterricht.

Die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde in Darmstadt ist in den 25 Jahren des Bestehens der neuen Synagoge auf knapp 700 gewachsen – vor allem durch Zuwanderung aus Russland. Zu Beginn der Nazizeit hatten noch 3.300 Juden in Darmstadt gelebt.

An der Eingangstür zum Gottesdienstraum wurden wir auf eine Mesusa (Schriftkapsel mit Geboten Gottes) am Türpfosten hingewiesen. Der Raum selbst hat eine ganz besondere Ausstrahlung – besonders beeindruckend waren für uns die Fenster, die von einer Bürgerinitiative finanziert wurden. Zwölf jeweils sechs Meter hohe Buntglasfenster des britischen Glaskünstlers Brian Clarke prägen den Raum und sollen daran erinnern, dass am 9. November 1938 als erstes die Fenster der jüdischen Bauten zerbarsten. Die aussagekräftigen Fenster erinnern an das Grauen der Vergangenheit (Wand des Leidens auf der Nordseite), betonen aber auch Hoffnung und Licht (Wand der Hoffnung auf der Südseite).

In der Mitte des Gottesdienstraumes befindet sich das Vorlesepult (Bima) für die Thorarollen. Die Sitzreihen auf beiden Seiten sind für die Männer vorgesehen, die Frauen sitzen auf den Emporen. Nach Osten befindet sich der Thoraschrein. Thoraschreine dienen der Aufbewahrung der Thorarollen. Der Thoraschrein befindet sich an der nach Jerusalem weisenden Wand einer Synagoge, in Europa ist das gewöhnlich die Ostwand des Gebäudes. Die Thorarollen werden von kostbar bestickten Vorhängen verdeckt. Diese sollen an den Vorhang erinnern, der im Tempel in Jerusalem das Allerheiligste abschloss. Der jüdische Gottesdienst ist ein Wiederholungsgottesdienst und läuft an jedem Sabbat in der gleichen Weise ab. Man weiß um die Inhalte und legt daher – in dem lange dauernden Gottesdienst - auch mal eine Pause ein. Stattfinden kann der Gottesdienst aber nur, wenn mindestens 10 religionsmündige Männer anwesend sind.

Die Gebete am Freitagabend finden ohne die Thoralesungen statt. Die Thora sind die fünf Bücher Moses, also der erste Teil des Alten Testaments. Die Thorarollen sind handbeschrieben und werden in Schreiberschulen (Jerusalem, London) auf feinstem Leder und mit einer besonderen „Tinte“ hergestellt. Für eine Thorarolle benötigt ein Schreiber etwa ein Jahr. Je nach Ausgestaltung kostet eine Rolle zwischen 20 und 30 Tausend Euro.

Gepredigt wird im jüdischen Gottesdienst nur, wenn ein Rabbiner da ist. Die Männer müssen ihr Haupt mit einem Käppchen (Kipa) verhüllen, wenn sie vor Gott treten. Der Gebetsschal ist üblich, aber kein Muss.

Frauen unterliegen nicht der Gottesdienstpflicht, sie müssen ihr Haupt auch nicht mit der Kipa verhüllen. Sie spielen dennoch eine wichtige Rolle im Judentum. Jude ist, wer eine jüdische Mutter hat oder konvertiert ist.

Ein jüdisches Kind kommt zur Welt. Von diesem Moment an wird sein Leben begleitet werden von bestimmten Traditionen: Beschneidung, Bar Mizwa, Hochzeit - das sind Höhepunkte im jüdischen Leben, die ganz bestimmten Zeremonien unterliegen. Die Bar Mizwa ist die offizielle Aufnahme in die Gemeinde. Für Jungen ist das mit 13 Jahren. Der Junge ist jetzt für die Einhaltung der jüdischen Regeln verantwortlich und muss religiöse Aufgaben erfüllen. Bei der Feier darf er zum ersten Mal aus der Thora vorlesen. Mädchen werden mit 12 Jahren in die Gemeinde aufgenommen. Sie lesen nicht aus der Thora vor, sondern dürfen einen Vortrag vor der Gemeinde halten.

Zum Abschluss schauten wir uns im Garten noch die Laubhütte an, in der im Oktober das Laubhüttenfest gefeiert wird. Zu diesem fröhlichen Erntefest wird die Hütte mit viel Laub, Früchten und Girlanden festlich geschmückt.

Die Teilnehmer hatten noch viele Fragen zum jüdischen Leben, die Herr Grundmann geduldig und kompetent beantwortete. Wir erhielten Einblick in jüdische Gebräuche und Rituale, erfuhren etwas über Feiertage und Höhepunkte im religiösen Leben. Manche wurde angeregt, sich intensiver mit dem Thema zu befassen.

sg