ECHO-Feuilletonchef Johannes Breckner im wohlwollenden Streitgespräch mit Schauspieldirektor Martin Apelt

Sie kennen sich, sie schätzen sich, aber bei der Beurteilung von Theaterstücken sind sie nicht immer einer Meinung. Was der Kritiker Johannes Breckner nach einer Schauspielpremiere im ECHO schreibt, löst bei Martin Apelt, seit 10 Jahren Schauspieldirektor am Staatstheater, nicht immer Jubeltöne aus.

Während der von Heidrun Bleeck und Mika Dietrich gekonnt moderierten Veranstaltung der Reihe „Aka im Gespräch“ – erstmals im Foyer des Theaters – wurde deutlich, welche unterschiedlichen Standpunkte Journalist und Theatermann einnehmen.

Für Apelt ist die Entwicklung eines Theaterstücks ein langer, mühsamer Prozess. „Man kann das Gelingen nicht erzwingen, aber es ist möglich, gute Chancen fürs Gelingen zu schaffen“. Als Dramaturg sei er der allererste Kritiker und habe mehr Zeit als ein Journalist, zu einem fundierten Urteil zu gelangen. Die Frustration sei daher groß, wenn die – untereinander nicht immer einigen - Zeitungskritiker einer Aufführung überhaupt keine gute Seite abgewinnen können. Außerdem verlaufe jede Vorstellung anders, und die Premiere sei nicht unbedingt die beste.

Apelt versicherte, dass sich die Theatermacher nicht von Zeitungskritiken beeinflussen lassen und nach deren Veröffentlichung nichts am Stück verändern. Er selbst nehme sie ernst, allerdings schätze er manche Kritiker mehr als andere. Ein konstruktiver, klug begründeter Verriss sei ihm allemal lieber als ein undifferenzierter Jubelbericht.

Johannes Breckner konterte, ein Kritiker dürfe gar nichts über die Länge des Entwicklungsprozesses wissen. Er stehe nämlich zwischen Theater und Zuschauern, sei eine Art Klassensprecher des Publikums, das von ihm wissen wolle: Funktioniert das Schauspiel oder nicht? Mit der Forderung nach „konstruktiver Kritik“ hat Breckner ein Problem: „Ich muss nicht sagen, wie es besser geht“.

Drei- bis viermal in der Woche geht der ECHO-Feuilletonchef ins Theater – sogar in Stücke, die er nicht besprechen muss, „ein Luxus, den ich genieße“. Seine Theaterkritik, verriet er, entsteht beim Zuschauen. Er macht sich kaum Notizen, vertraut auf sein Gedächtnis und schreibt seinen Artikel erst am nächsten Tag. Gute Argumente und Genauigkeit seien besonders gefordert, wenn er das Stück im Gegensatz zum Publikum schlecht findet. Er versuche, sich zartfühlend auszudrücken, wenn Schauspieler, die er schätzt, mal einen schlechten Abend haben. Im Lauf der Jahre – Breckner ist seit 30 Jahren ECHO-Redakteur– habe er ein Gespür für die Angemessenheit der Kritik entwickelt und sich „Seherfahrung angesessen“.

Kritiker haben Macht, sie können das Theater voll oder leer schreiben. In den ersten Tagen nach der Veröffentlichung eines Totalverrisses gehen die Kartenverkaufszahlen zurück, gab Martin Apelt zu. Ein Stück werden dreißig- bis vierzigmal gespielt, wenn es gut läuft. Die Erinnerungen der Zuschauer verklären sich, aber die veröffentlichten Kritiken bleiben dank der Archive weiterhin zugänglich. Sie sind das Material, auf das Theaterhistoriker bei Recherchen für ihre Bücher gern zurückgreifen.

Sie sind das, was von den Inszenierungen übrig bleibt.

pep

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Schauspieldirektor Martin Apelt weist auf ein ganz besonderes Stück hin, das am Sonntag (06.04.) um 20 Uhr im Liebighaus – dem Ort zahlreicher Stadtverordnetenversammlungen - Premiere hat:

„Demokratie“ von Sahar Amini ist ein Stück über den großen Staatsmann Willy Brandt, eine Agentenstory und eine Analyse über Vorgänge im Inneren der Macht. Es gibt noch Karten im Vorverkauf.

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