Feldpost - wer denkt da nicht sofort an vergangene Weltkriege und dieses einzige Kommunikationsmittel zwischen Frontsoldat im Ausland und den Angehörigen in der Heimat. Dass dieser spezielle Postdienst nicht nur der Motivation der Truppe diente und damit (über-)lebensnotwendig war, sondern auch eine logistische Herausforderung, kann man nur erahnen.
Rainer Hintner, früher selbst in Postdiensten, umriss in seinem perfekten Aka-Vortrag zunächst die Geschichte des Postwesens im Allgemeinen. In den frühen Großreichen (Babylonien, Persien, Römisches oder Fränkisches Reich) wurde eine regelmäßige und schriftliche Nachrichtenübermittlung ein Muss. Vor 1490 waren organisierte Botendienste fast ausschließlich im Dienste der herrschenden Klassen unterwegs. Mit Franz von Thurn (woraus sich Thurn und Taxis etablierte) begann die eigentliche private Briefzustellung, aus der dann für Deutschland Reichspost (1871) und Deutsche (Bundes-)Post (1946) hervorgingen.
Die vielen und langen Kriege des 18. Jahrhunderts (z.B. der 7-jährige Krieg, bayr. Erbfolgekrieg), in denen viele Soldaten lange von zu Hause getrennt waren, führten zu ersten Feldpost-Strukturen. 1870/71, im deutsch-französischen Krieg, wurden schon 90 Millionen Briefe zwischen Front und Heimat hin und her geschickt. In den beiden Weltkriegen wuchs der Berg der Sendungen in Form von Briefen, Päckchen und Zeitungen auf jeweils fast 30 Milliarden (!) Stück. Maschinelle Unterstützung gab es ja noch nicht, alles musste „per Hand“ gesichtet, sortiert und versackt werden. Ein Heer von Postbeamten und weitere, meist weibliche Hilfskräfte mussten diese Arbeit leisten.
In Richtung Front gab es ein großes Problem: militärische Einheiten im Einsatz sind selten an festen Orten, eher dauernd unterwegs. Wie konnten die Sendungen ihren jeweiligen Adressaten erreichen? Im 1. WK war es die Regimentsnummer, die das Ziel angab, zur Nazi-Zeit wurde die Feldpost-Nummer (FPNr.) erfunden. Diese verschlüsselte Truppenteil-Kennung wurde ohne jedes System vergeben, um dem „spionierenden Feind“ möglichst keine Rückschlüsse über die Truppenbewegungen zu ermöglichen. Die Mitarbeiter der Feldpost-Leitstellen wussten, wohin ein Brief mit der Kennung #12345 geleitet werden musste. Hinter den Nr. verbargen sich wirklich alle Arten von Militäreinheiten der Luft, des Heeres, der Marine, sogar Küstenschutz und Verbände der Waffen-SS. Insgesamt 80.000 Nummern wurden vergeben.
Wer die Briefe heute liest, wird sich wundern, wie steril und nüchtern sie sind: emotionsarme Alltagskommunikation. Das wird erst erklärbar, wenn man weiß, dass militärische Inhalte tabu und z.T. unter Strafe verboten waren. Aktuelle Kriegserlebnisse, Gefühle, Ängste, kritische Äußerungen? - Fehlanzeige. Das galt als „Wehrkraftzersetzung“. Briefe wurden zumindest stichprobenartig geöffnet und zensiert bzw. nicht weitergeleitet. Doch die Soldaten wussten sich zu helfen mit Sätzen, die unverfänglich, aber interpretierbar waren. „Es geht mir gut“ war ehrlich gemeint, mit „sehr gut“ wurde das absolute Gegenteil umschrieben. Die Übermittlung der Briefe und kleinerer Päckchen war übrigens kostenfrei, mussten aber mit besonderen Feldpostmarken beklebt werden. Jedem Soldat wurde eine begrenzte Zahl pro Jahr zugeteilt. Einen Liebesbrief pro Woche geschweige denn tägliche Botschaften zu senden war damit unmöglich. Wenige inhaltsarme Zeilen und einzelne Fotos waren die raren Lebenszeichen der getrennten Angehörigen.
Nach dem II. WK wurde der lange Zeit unnötige Dienst für die Bundeswehr 1992 wieder aufgenommen: beim ersten Auslandseinsatz in Kambodscha. Darmstadt kann sich heutzutage rühmen, für die deutschen Soldaten fern der Heimat ein wichtiger Standort zu sein. Denn für alle ab- und eingehende Post dieser Art ist die Major-Karl-Plagge-Kaserne im Süden Eberstadts die heutige Feldpost-Leitstelle. Doch in Zeiten von Internet und SMS hat die Feldpost eine mächtige Konkurrenz bekommen.
kpr