Edith Dörken führte eine Aka-Gruppe über den Römerberg

Wer kennt berühmte Frankfurterinnen? Nach längerem Nachdenken kommen einem nur zwei in den Sinn, nämlich Frau Aja (Catharina Elisabethe Goethe, geborene Textor), die Mutter Goethes, und Petra Roth, langjährige Oberbürgermeisterin der Mainmetropole. Aber es gibt ja noch so viele andere, die Herausragendes geleistet haben! Gästeführerin Edith Dörken hat sogar ein Buch über Frankfurts berühmte und vergessene Frauen geschrieben. Beim Spaziergang rund um den Römerberg zeigte sie einer Aka 55plus-Gruppe, wo diese früher gewohnt haben.

Das reichsfreie Frankfurt war liberal und tolerant. Es gab dort weder Hexenverbrennungen noch Inquisitionsgerichte. Im Mittelalter konnten die Frankfurterinnen – als Ehefrau oder Witwe – in die Zunft aufgenommen werden und auf den Römerberg-Messen mit Textilien, Pelzen, Juwelen und Flitterwaren handeln. Außerdem durften sie Wechsel einlösen und ausstellen.

Dorothea Schlegel (1764 bis 1839), Tochter von Moses Mendelsohn, war als Jüdin aufgewachsen und hat sich im Lauf ihres Lebens zum protestantischen und zum katholischen Glauben bekannt. Die Schriftstellerin der Romantik ließ sich von ihrem ersten Mann scheiden, was damals großen Mut erforderte, und wurde später die Frau von Friedrich Schlegel. Ihr Sohn Philipp Veit, Kurator im Städel, hat Kaiserbilder gemalt, die noch heute im Kaisersaal des Römers zu sehen sind.

Lina von Schauroth (1874 bis 1970) galt als die größte Glaskünstlerin der zwanziger Jahre. Die Malerin und Bildhauerin, das siebte Kind des Bauunternehmers Philipp Holzmann, hat Kirchen, die Börse und das IG Farbenhaus mit ihren Glaskompositionen ausgestattet. Auch für die Privatkapelle der jüdischen Familie Weinberg, Eigner der Casella-Farbwerke, stellte sie Glasfenstern her und sorgte dafür, dass diese im Krieg nach Limburg ausgelagert wurden. Nach ihren Anweisungen wurden sie später in die Fensterhöhlen der Alten Nikolaikirche am Römerberg eingebaut.

Marianne von Willemer (1784 bis 1860), uneheliches Kind einer Schauspielerin aus Graz, war Goethes Muse und seine große Liebe. Sie begegneten sich, als sie 29 und er 65 Jahre alt war. Ihr späterer Ehemann, der Bankier Johann Jakob Willemer, hatte die Sechzehnjährige ihrer Mutter für 2000 Gulden abgekauft und sie zunächst als „Zieh-Tochter“ behandelt. Im „West-östlichen Divan“ taucht die hoch talentierte Marianne von Willemer als Suleika auf. Erst nach Goethes Tod wurde bekannt, dass sechs darin enthaltene Gedichte aus ihrer Feder stammen. Sie ist die einzige Mitautorin des großen Dichters und die einzige Frau, die mit ihm auf gleicher intellektueller Ebene verkehrte.

In der Buchgasse, die es heute nicht mehr gibt, lebte die Familie Merian. Maria Sybilla Merian (1647 bis 1717) war erst drei Jahre alt, als ihr Vater starb. Schon früh interessierte sie sich für die Natur, war besonders von der Metamorphose der Schmetterlinge fasziniert und züchtete Seidenraupen. Sie heiratete Anton Graf, zog mit ihm nach Nürnberg, gründete eine Mädchenmalschule und gab ein dreibändiges Buch über Raupen und Futterpflanzen heraus. Im Alter von 52 Jahren unternahm die Naturforscherin und Künstlerin zusammen mit einer ihrer Töchter eine zweijährige Reise durch Surinam (Südamerika) und veröffentlichte später in Amsterdam ein großes Insektenbuch. Zar Peter kaufte 43 ihrer Aquarelle und nahm sie nach St. Petersburg mit.

Besonders beeindruckt war die Aka-Gruppe vom Wagemut Grete Schütte-Lihotzkys (1897 bis 2000), die die „Frankfurter Küche“, den Prototyp der modernen Einbauküche, entworfen hatte. Die Architektin aus Österreich widmete sich dem Sozialwohnbau. Während des Dritten Reiches wurde die unerschütterliche Kommunistin zu 15 Jahren Zuchthaus verhaftet und 1945 nach fünf Jahren Einzelhaft von den Amerikanern befreit. Da sie Kommunistin blieb, hatte sie es in der Nachkriegszeit schwer, Aufträge zu bekommen. Erst in späteren Jahren wurde sie von ihrer Vaterstadt Wien geehrt.

Letzte Station des Rundgangs war die Paulskirche, das Symbol der deutschen Demokratie. Hier hatten 1848 über 800 Abgeordnete ein Jahr und 12 Tage lang eine Verfassung erarbeitet. Von der Galerie herab sahen ihnen Frauen aus dem Großbürgertum zu und sparten nicht mit Buhrufen oder Beifall. Sie durften nicht wählen, standen unter der Vormundschaft ihres Vaters, Mannes oder Bruders, und versprachen sich von der Nationalversammlung mehr Rechte. Aber es sollte noch lange dauern, bis sie wählen und studieren durften.

Die Frankfurterin Elisabeth Schwarzhaupt (1901 bis 1986), eine promovierte Richterin, war die erste Ministerin nach 1945. Kanzler Konrad Adenauer nannte die Oberkirchenrätin ein wenig herablassend „das Kirchenfräulein“. Um ihre Geschlechtsgenossinnen machte sie sich verdient, weil sie sich für das uneingeschränkte Gleichberechtigungsgesetz einsetzte. Die Emanzipation ist inzwischen eine Selbstverständlichkeit, und die jungen Mädchen von heute kennen den Name Elisabeth Schwarzhaupt schon nicht mehr.

pep