„Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ - das bekannte Zitat aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts passt so gar nicht auf den damals gerade erst überwundenen ersten Weltkrieg. Der in jenem Krieg geborene Arno Angenend erinnerte an dieses die Welt verändernde katastrophale Ereignis und gab daneben die Auswirkungen auf seine Familie und seine eigene Vita preis.

Ausgehend von der politischen Vorgeschichte im deutschen Kaiserreich und seinem despotisch-eigenwilligen Repräsentanten Wilhelm I. wählte der Vortragende einige besondere Geschehnisse aus, die - mehr oder weniger subjektiv - ein passendes Schlaglicht auf das Zeitgeschehen warfen. Der Mord an dem österreichisch-ungarischen Erzherzog Franz Ferdinand im serbischen Sarajevo brachte den fatalen Stein des Krieges ins Rollen, war aber beileibe nicht der einzige Grund: starke nationalistische und imperialistische Strömungen sowie die hohe Militarisierung waren entscheidender. Dazu kamen die Bündnisse, die immer mehr Staaten in den Krieg zwangen.

Die Begeisterung der beteiligten Völker über den Kriegsausbruch war wohl nicht so hoch wie heute meist vermutet, wohl aber die allgemeine Zustimmung und die ausgeprägte Gewissheit über sein baldiges Ende - ein fataler Irrtum. Veraltete Kriegsführungspläne auf deutscher Seite führten dazu, dass deren anfänglicher Eroberungskrieg zu einem erbitterten, brutalen und überaus verlustreichen Stellungskrieg wurde. An dessen Frontverlauf sollte sich mehr als 3 Jahre kaum etwas verändern.

Als markante Ereignisse der Jahre 1915/1916 griff Angenend die Versenkung des englischen Luxusliners „Lusitania“, die englische Seeblockade und die Seeschlacht im Skagerrak heraus. Während die Rolle der „Lusitania“ unter Historikern umstritten ist (absichtliches Bauernopfer Englands, um Amerika in den Krieg zu verwickeln?), waren die Folgen der beiden anderen Ereignisse eindeutig: das eine bedeutete große Lebensmittel- und Rohstoffknappheit in Deutschland, das andere brachte der deutschen Flotte eine vernichtende Niederlage und Verlust der Seemacht. Es verwundert nicht, dass der Nachschubmangel und die sinnlosen Kämpfe die Soldaten und Bevölkerung ernüchterten, demotivierten, ja sogar traumatisierten. Diese Desillusionierung war im großen Stil kriegsentscheidend. Eine Zahl macht neben den Toten deutlich, welch grausame Materialschlacht geführt wurde: In Frankreich wurde eine Fläche so groß wie das Land Hessen quasi umgepflügt; Bäume, Straßen, Häuser existierten nicht mehr, alles war durch Bomben und Granaten dem Erdboden gleichgemacht.

Der erschütternde Bericht der Kriegsereignisse im Großen wurde aufgelockert durch die ganz persönlichen Erlebnisse der Familie des Vortragenden in jener Zeit. Arno Angenend (Jahrgang 1916!) wurde als 8-Monatskind geboren, als seine Mutter hörte, ihr Mann sei gefallen. Doch war er nur schwer verletzt und konnte, weil sein Lazarettzug zufällig in seinem Heimatbahnhof im Berliner Vorort hielt, seiner jungen Frau einen Zettel zukommen lassen. Das immense Wechselbad der Gefühle für die junge Mutter kann man nur erahnen.

Wer sich mit dem I. Weltkrieg genauer beschäftigen will, wird in den Buchläden zur Zeit genügend alte und neue Sachbücher mit mannigfaltiger Sichtweise auf die Jahre 1914/18 finden. Immerhin nähern wir uns ja bald dem 100. Jahrestag des Kriegsausbruches. Aber die Frage bleibt, ob die Menschheit aus diesen Büchern nicht nur Fakten, sondern auch die Einsicht gewinnen kann, wie man Krieg verhindert? Das darf bezweifelt werden.

Arno Angenend kann man im nächsten Semester auch noch einmal zum Thema I. Weltkrieg hören und sehen; dann geht es ihm mehr um die rein deutsche Kriegsvorgeschichte.

kpr