Wer am 30.4.14 im Staatstheater „reingehört“ hat und dabei Beethovens 6. Sinfonie, die PASTORALE erlebte, vernahm dort u.a. die musikalische Beschreibung eines normalen, alltäglichen Vorgangs in der Natur: ein Gewitter kommt und geht.
Am 7.5.14 jedoch ist die Wildheit des Einleitungs-Chores, das Toben des heftigen Sturmes mit Blitz und Donner symbolisch für das dramatische Geschehen in der Oper OTELLO von G. Verdi (nach dem Schauspiel von W. Shakespeare).

Der Inhalt handelt von Liebe, Eifersucht, Mord und Kämpfen um die Macht. Boito, der Librettist, stellt Desdemona als Unschuldsengel schlechthin dar, Jago der Fähnrich, ist das vollkommene Böse. Zwischen diesen Polen entwickelt sich Otellos Drama.

„Otello, Befehlshaber der venezianischen Flotte, bleibt trotz aller militärischen Erfolge seiner schwarzen Hautfarbe wegen ein Außenseiter. Abgöttisch liebt er seine Ehefrau Desdemona, deren Gegenliebe er sich kaum für würdig erachtet. Nach einem Gewittersturm, dem er glücklich entkommt, berichtet Otello stolz von seinem Sieg gegen die Türken, nicht ahnend, dass er bald selbst das Opfer gefährlicher Intrigen sein wird. Rodrigo, der Otello die Liebe Desdemonas neidet, und Jago, der Fähnrich, den der Feldherr bei der Beförderung zum Hauptmann übergangen hat, hegen einen diabolischen Plan, dessen Ziel es ist, den eifersüchtigen Otello von der angeblichen Untreue Desdemonas zu überzeugen. Das Gift des Zweifels zeigt schließlich seine Wirkung: Otello erwürgt seine über alles Geliebte.“ (Theaterzeitung März/April 2014)

Kontrovers gestaltete sich die Bewertung der Aufführung durch einige Aka- Besucher: „Die beste Verdi-Aufführung dieses Theaters; mehr kann man aus Verdi nicht herausholen; wunderbare Musik, aber wenig Bewegung in der Darstellung; schlechte deutsche Übertexte; Emotionen werden nicht geweckt…“

Einigkeit herrschte zum Schluss bei allen: Desdemona war wunderbar! Besonders ihr Lied von der Weide bewirkte durch die Vielseitigkeit ihres musikalischen Ausdrucks endlich starke Gefühlsbewegungen bei den meisten Zuhörern. (Die Kritik Thomas Wolffs nach der Premiere: „Susanne Serfling als Desdemona ist allein das Eintrittsgeld schon wert.“)

Übereinstimmung herrschte auch über die Tristesse des Bühnenbildes. Der zypriotische Sitz des Statthalters von Venedig bestand doch sicher nicht schon in der Vorahnung des tödlichen Geschehens aus morschen Säulen, ein kleines bisschen südländisches Farbenspiel würde dem Stück nicht die Dramatik nehmen; ein bescheidenes Lager für die sterbende Desdemona hätte sich im Fundus bestimmt noch auftreiben lassen; UND: ein Ehemann, der erfährt, dass er seine doch Geliebte nur wegen einer Intrige umgebracht hat, wirft sich mindestens an die Seite der Toten. Dieser Otello setzt sich auf einen Stuhl und jammert!!!

Übrigens: war Otello ein echter, maximal pigmentierter Sänger oder hatten die Maskenbildner eine Meisterleistung vollbracht? (Insider-Information: die Maskenbildner waren’s – Kompliment!)

Die vergangene Spielzeit am Staatstheater stand unter dem Motto: MACHT. Macht in der Ehe: Virginia Woolf; Macht in der Mutter-Töchter Beziehung (Bernada); die Macht gesellschaftlicher Konventionen (La Traviata / Camille); politischer Vorgänge (Dantons Tod) u. v. m. Selbst General Bumm und Baron Pück missgönnen ihrer Großherzogin von Gerolstein, bzw. ihrem geliebten Fritz die kleinen Machtspiele und mischen tüchtig mit.

Wenn am 12.7.14 die erfolgreiche Theaterzeit unter der Intendanz John Dews zu Ende geht und viele, viele Mitarbeiter, die das Darmstädter Publikum schätzt, sich in alle Winde zerstreuen müssen, hat auch Richard III, der machtbesessenste, blutrünstigste und hemmungsloseste von Shakespeares Mördern – zumindest hier in Darmstadt – ausgespielt. Aber das sehen wir uns am 10.6.14 noch einmal persönlich an!

md