ludwigskirche mw 171Warum die katholische Runde Kirche auf dem Wilhelminenbuckel keine Glocken hat, erfuhren die rund 40 Zuhörer ganz zum Schluss. Denn vorher entführte Günter Körner, Heiner mit Herz und professioneller Darmstadt- Kenner sie zur evangelischen Konkurrenz und brachte den Aka-Mitgliedern die Geschichte der Reformation in Darmstadt nahe.

Am Woog begann alles mit Philipp dem Großmütigen, der zwar 1523 die lutherischen Prediger des Landes verweisen ließ, aber schon ein Jahr später die protestantische Lehre zu fördern begann. Immerhin war er Luther sehr verbunden, hatte er ihm doch bei seiner Flucht geholfen, auf die Wartburg zu kommen. Die Neugestaltung des Gottesdienstes, die Aufhebung der Klöster, eine verstärkte Armen- und Krankenfürsorge, die Gründung der Marburger Universität: all dies waren seine Verdienste. Hilfe bekam er aber auch vom Reformator in einer pikanten Privatangelegenheit: Noch während seiner Ehe mit Christine von Sachsen, schloss er eine „morganatische Ehe“ mit deren Hoffräulein, was eigentlich strengstens verboten und mit der Todesstrafe bedroht war. Jedoch billigten Luther und Melanchthon die Bigamie nach einigem Zögern…

Nach seinem Tod 1567 wurde Hessen unter seinen vier Söhnen aus erster Ehe aufgeteilt. Georg I. bekam das Territorium Hessen-Darmstadt. „Der Fromme“ wurde er betitelt, und so war es kein Wunder, dass allen Untertanen der „rechte Glaube“ abverlangt wurde. Um ihn zu erreichen, wurde flächendeckend die Schulpflicht eingeführt. Recht, Moral und Gehorsam sollten alle lernen. Georg selbst war von äußerst rigiden Moralvorstellungen geprägt. Und so kam es, dass unter seiner Herrschaft eine Besuchspflicht für Kirchen eingeführt wurde (mindestens dreimal die Woche) und Hexenverfolgungen begannen. Er starb 1596 und ist im Chor der Darmstädter Stadtkirche, die er hatte bauen lassen, begraben.

Im 17. Jahrhundert regierte zunächst Georg II, der die Bibel mehr als 30-mal in verschiedenen Sprachen gelesen hatte. Er hatte die schlimme Aufgabe, einen neuen Friedhof bauen zu müssen, denn mehr als 2.200 Menschen waren an der Pest gestorben.

Erst im späten 18. Jahrhundert setzten sich auch am Woog die Ideen der Aufklärung durch. Die freie Religionsausübung wurde allen gestattet. Unter der „Großen Landgräfin“ Caroline, der Frau des eher am Militär interessierten Ludwig IX., beginnt ein geistiger und kultureller Aufschwung, der auch mit den Namen Goethe und Herder verbunden ist.

Erst 1817 wird die erste katholische Kirche errichtet. Nach dem Vorbild des Pantheons baut der berühmte Moller die Runde Kirche. Und warum hat sie keine Glocken?

Dem Vernehmen nach soll Ludewig I. gesagt haben, eine Kirche sollten die Katholiken ruhig bekommen, aber bimmeln dürfte sie nicht…

hb