Wer sich in der englischen Geschichte des 15.Jahrhunderts (Zeit der Rosenkriege zwischen den Häusern Lancaster und York) nicht hervorragend auskennt oder einen Schauspielführer auswendig gelernt hat, mindestens jedoch in den Texten des Staatstheaters im Spielplanheft und auf den Eintrittskarten Einiges unterstrichen hatte, der wünschte sich vielleicht für die Menge der Vertreter des englischen Adels Namensschildchen auf den schlichten schwarzen Kostümen.

Nicht: - Hier bedient Sie….-, sondern z. B: - Hier wird gleich ermordet: Clarence, Bruder Richards -. Das hätte aber auch nichts geholfen, weil man’s auf die Entfernung nicht lesen könnte.

Also gibt sich der Zuschauer dem Rausch der wunderbaren Sprache Shakespeares hin und weiß nach kürzester Zeit: der Typ, der jetzt gerade so hofiert und mit Vertrauensbeweisen überhäuft wird, ist das nächste Opfer des „Bluthundes“. Richard – erst Herzog von Gloucester und viele Tote später König – hat keine Skrupel, Kinder, Alte, oder Verwandte, die ihn auf dem Weg zur Macht stören, meucheln zu lassen. So eine wunderbare Sprache für so ein schreckliches Tun!

Während heutzutage die jungen Monarchen ihr Amt von der Königsmama oder dem Königspapa freiwillig übergeben bekommen, ist es häufig für viele historische Adelige ein mühseliges Geschäft gewesen, ihren gottgewollten!!! Platz in der Welt der Regierenden einzunehmen. Kein romantisches Familiengesäusel hinderte sie am harten Zugriff. (Sollte das im 21. Jahrhundert irgendwo auf der Welt noch genauso sein?)

Shakespeare schildert Richard als machthungrigsten, erbarmungslosesten und verunstalteten Menschen, der je den englischen Thron bestiegen habe. Es liegen jedoch Jahrzehnte zwischen der tatsächlichen Lebenszeit des Protagonisten und der Entstehung des so genannten Königsdramas des jungen, siebenundzwanzigjährigen Dichters. Kein Zeitzeuge beschreibt Richard als körperlich abstoßend. Boshaftigkeit lässt sich durch Missbildung jedoch besser darstellen. Die blühende Theaterlandschaft zu Shakespeares Zeiten, wo Bärenhatz und Schaugefechte am gleichen Ort stattfanden, forderte Anreize für ein Publikum, das Londons raue Wirklichkeit mit seinen Verbrechen gewöhnt war.

Das Geschehen wurde auf der Bühne des Staatstheaters auf drei horizontalen Ebenen präsentiert: schmale Stege, gerade breit genug für ein paar Stühle, verbunden durch eiserne Leitern, auf denen Darsteller die Ebenen wechselten, übernahmen die Aufgaben von Akt- und Szenenwechsel. Jede Ebene war nach hinten abgeschlossen durch Bilder von lichten Wäldern. Durch schmale Türen konnte auch von dort der Schauplatz verlassen werden. Der vordere Zuschauerraum war ebenfalls einbezogen, das machte alle Handlungsorte (Wald, Schloss, Innenräume, öffentlicher Platz) vorstellbar.

Waren es die Hitze des Sommertages, die beginnende Urlaubszeit oder etwa das gruselige Thema des Stückes, warum viele Plätze unbesetzt blieben? Man hätte der großen Leistung des Ensembles doch mehr Applaus gewünscht.

mika