- das ist eines der Ziele der neuen Truppe, die seit nunmehr einem Jahr am Staatstheater Darmstadt agiert.
Schauspieldirektor Jonas Zipf stellte sich im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Akademie im Gespräch“ im gut besuchten Foyer des Staatstheaters den Fragen von Marika Dietrich und Petra Neumann-Prystaj.
Jonas Zipf - 32 Jahre jung - leitet die Sparte Schauspiel am Staatstheater. Er ist verantwortlich für die Finanzen und für die künstlerische Darbietung. Im Diskurs mit dem Dramaturgen entscheidet er über die Auswahl der Stücke, Ideen für die Umsetzung, die Besetzung etc. Kann keine Einigung herbeigeführt werden, liegt die letzte Entscheidung beim Intendanten, der die Richtlinienkompetenz hat.
„Reden und Streiten über die Produktion“ sei ihm ein Anliegen, betonte Zipf. Auch mit dem Publikum. Die Darmstädter seien ihrem Theater auf ihre zurückhaltende und kritische Art besonders zugetan. Mit dem Generationswechsel in der Theaterleitung komme Ungewohntes auf sie zu, das verdaut werden müsse.
Die Auswahl vorwiegend klassischer Stücke begründete Zipf damit, dass es unter den zeitgenössischen Autoren wenige gäbe, die überzeugten. Auch stehe heute weniger die politische Aussage eines Stückes als vielmehr die Form der Darbietung im Vordergrund. So experimentiert man in Darmstadt mit ungewöhnlicher Sichtweise auf Shakespeare und Kleist. Zu Shakespeares Zeiten war Theaterspielen eine Männerdomäne. Wenn in „Romeo und Julia“ die Julia in Darmstadt mit einem Mann besetzt ist, so ist das keine neue Idee. Genauso wenig wie: In kleiner Besetzung spielen, vor den Augen des Publikums die Rolle wechseln, nicht Julia sein, sondern das spielen, was für die Rolle typisch ist. Dadurch könnte sich der Akzent z.B. von der romantischen Liebesgeschichte auf einen dahinter liegenden Generationenkonflikt verschieben.
Das Verlangen des Theaterpublikums, die Intention von Inszenierungen auch ohne zusätzliche Erklärung verstehen zu wollen, sei legitim, so Zipf. Es gehöre aber auch eine gewisse Offenheit dazu, sich mit der ebenfalls legitimen Weiterentwicklung der Kunstform auseinanderzusetzen und sich an eine andere ästhetische Betrachtung zu gewöhnen.
Die „Überforderungsmaschinerie der Gleichzeitigkeit“ (Esther Boldt), die bei der Aufführung von Madame Bovary auf der Bühne ablaufe, sei z.B. nicht nur eine Anpassung an veränderte Seh- und Hörgewohnheiten jüngerer Zuschauer, sondern ein künstlerisches Mittel, das dem Stoff angemessen sei: Das tragische Schicksal der Madame Bovary gehe unter in den selbstbezogenen Aktivitäten der sie umgebenden Dorfbewohner.
Das Kulturbürgertum nicht verlieren und gleichzeitig das Theater für andere Teile der Gesellschaft öffnen – es wird noch so mancher Diskussion bedürfen, wenn dieses Ziel erreicht werden soll.
marwen