Wolfgang Richter, Produzent des Filmes „Das radikal Böse“, zu Gast beim Aka-Psychologiekurs von Hildegard Schwebel
Die Wahrheit ist schockierend: Unter bestimmten Voraussetzungen kann jeder Durchschnittsbürger zum Mörder unschuldiger Menschen werden.
Wie es dazu kommen konnte, dass die Angehörigen des Polizeibataillons 101 - darunter viele junge Familienväter – im Jahr 1942 bei so genannten Sonderaktionen jüdische Kinder und Frauen in Osteuropa erschossen, obwohl sie den Befehl straflos hätten verweigern können, schildert der deutsch-österreichische Film „Das radikal Böse“. Sein Produzent stand nach der Vorführung des Films im Aka-Vortragssaal den Teilnehmern des seit vielen Jahren von Hildegard Schwebel geleiteten Aka-Psychologiekurses Rede und Antwort.
Der Autor und Regisseur des Films, Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky, hat Originalaufnahmen, Interviews mit Psychologen, Schauspielszenen und nachgestellte, bahnbrechende sozialpsychologische Experimente miteinander verwoben. Das bekannteste Experiment ist das von Stanley Milgram, bei dem untersucht wurde, wie weit der Gehorsam gegenüber einer Autorität geht. 65 Prozent der Probanden hätten – wenn das Szenario nicht vorgetäuscht worden wäre – einen ihnen unbekannten Menschen mit Stromschlägen stark verletzt oder gar getötet.
Sechs Wissenschaftler, darunter der Militärpsychologe Dave Grossman, versuchen im Film, die moralische Bewertung außer Acht zu lassen und zu erklären, warum die braven Familienväter zu Unmenschen werden konnten. Nicht etwa, um sie reinzuwaschen, sondern „weil wir es verstehen müssen, um es verhindern zu können.“
Die Männer des Polizeibataillons hinterfragten die Hetzkampagnen gegen Juden nicht, sie wollten gute Kameraden und keine Feiglinge sein. Letztlich töteten sie auch aus Gewohnheit, denn auch extreme Erfahrungen können zur Routine werden. Damit es ihnen leichter fiel, hilflose Menschen umzubringen, wurden diese „dehumanisiert“. Die Frauen und Kinder mussten ihre Kleider ablegen und sich umdrehen, denn ihre Mörder sollten ihnen nicht ins Gesicht blicken.
„Wir mussten die Drecksarbeit machen“, rechtfertigten sich die jungen Männer. „Eine schöne Arbeit ist es nicht. Offener Kampf ist mir lieber“. Nach den Massenerschießungen gab es einen Viertelliter Rum für jeden. Denn diese Sonderaktionen stellten für die Soldaten eine enorme Belastung dar und führten letztlich zum Bau der Vernichtungslager, der KZs. Das war die Antwort auf die traumatisierten Täter.
Der Darmstädter Produzent und Filmemacher Wolfgang Richter hat sich in mehreren Filmen mit dem Thema Holocaust beschäftigt und eigens eine Firma gegründet, um „Das radikal Böse“ realisieren zu können. „Noch schlimmer als den Film zu sehen ist es, in den Akten im Darmstädter Staatsarchiv nachzulesen, wie die Täter vor Gericht aufgetreten sind“, sagte er. 1967 waren in Darmstadt im sogenannten Kolomea-Prozess gegen vier Mitglieder der SS-Einsatztruppen in den besetzten Ostgebieten hohe Zuchthausstrafen verhängt worden. Sie wurden für schuldig befunden, 30.000 Menschen ermordet zu haben. Der 2013 fertiggestellt Film wurde in Kinos und Schulen gezeigt und ist am 1. Mai spätabends im ZDF zu sehen. pep