Wiener kongress gemeinfreiEs ist nicht nur Historikern bekannt, dass beim Wiener Kongress 1814/15 viel getanzt wurde. Ältere Semester (wie wir „Akademiker“) haben sicher noch den UFA-Musikfilm ähnlichen Namens gut vor Augen. Aber der Kongress hatte andere Aufgaben und Ziele, die er trotz aller zerstreuenden und ablenkenden Vergnügungen mit erstaunlichem Erfolg erledigte. Der Preis war die Rückkehr zu den alten, schon leicht brüchigen Herrschaftsstrukturen.

Arno Angenend referierte in gewohnt freiem, mehr als einstündigem Vortrag und ließ zunächst die Vorgeschichte Revue passieren. Kaiser Napoleon riss durch sein Machtstreben und wegen der fatalen politischen Koalitionen ganz Europa in einen Krieg gegeneinander. Nach dem verheerend gescheiterten Russlandfeldzug 1812 von Napoleon hatten die führenden Staaten schon einmal den Versuch einer Neuordnung in Europa begonnen. Das Wiedererstarken Napoleons hat diese Pläne zunächst zunichte gemacht. Erst nach der Völkerschlacht bei Leipzig und der endgültigen Verbannung des französischen Despoten war der Weg frei zu entsprechenden Verhandlungen Sie beherrschten lange das Leben in Wien bis Juli 1815.

Preussen, Österreich, Russland, England und Frankreich (mit der dort wiederkehrenden Monarchie) waren die 5 Großmächte, die mit Vertretern von insgesamt rund 200 weiteren Staaten am Tisch saßen. Der gastgebende Kaiser Franz I. hatte mit seinen Untertanen (vor allem den Wienern) die Ehre und Last, rund 100.000 Gäste aus diesem Anlass zu bewirten und bei Laune zu halten. Das bedeutete u.a. große Kosten, die den Steuerzahlern verordnet wurden.

Fürst Metternich (A), Talleyrand (F), der Zar (R) und die Vertreter Englands waren die wichtigsten Akteure des Kräftemessens, die preußischen Vertreter waren eher im Hintergrund. Die Menschen der damaligen Zeit hofften nach 23 Jahren ununterbrochener Kriegshandlungen auf einen dauerhaften Frieden und stabile neue Grenzen und Staatsgebilde. Auch Frauen spielten eine wichtige Rolle; die Maitressen der beiden bekannten Frauenhelden Metternich und Talleyrand waren Schwestern und sorgten neben ihren „Tätigkeiten“ für manch ungeplanten, aber entscheidenden Nachrichtenverkehr zwischen den Kontrahenten. Da sage doch bitte keiner, die Frauen hätten früher in der Politik keine Rolle gespielt…

Das Ergebnis des Kongresses kann so zusammengefasst werden: der politische Zustand von 1792 wurde wieder hergestellt; die Großmächte bekamen gegenüber der vornapoleonischen Zeit ein bisschen mehr Land, dem besiegten Frankreich dagegen was weggenommen, nämlich das Elsass. Im neu gegründeten „Deutschen Bund“(inkl. Preußen und Österreich) sollten zwar alle bestehenden (Klein-)Staaten eigene Länderverfassungen erstellen, doch das unterblieb größtenteils. Der Status quo wurde der Machtinteressen wegen eher zementiert als verändert.

Der Ruf nach Liberalisierung wie Zensurfreiheit und bürgerliche Rechte, gefordert u.a. von Studenten, verhallte für einige Jahrzehnte. Er konnte aber nie ganz unterdrückt werden. Immerhin blieb Europa 50 Jahre von echten kriegerischen Auseinandersetzungen verschont.

Herr Angenend drückte zum Schluss seine Enttäuschung darüber aus, dass in der heutigen krisenhaften Zeit ein gemeinsames (Ver-)Handeln der Großmächte wie vor 200 Jahren zum Nutzen der Weltgemeinschaft nicht möglich ist. Zur Herstellung bzw. Bewahrung des Friedens wäre es doch wirklich angebracht, so sein Wunsch. Doch bei den momentanen noch viel stärkeren Eigeninteressen, Verteilungskämpfen und Machtansprüchen der Staatslenker scheint es nahezu aussichtslos, tragfähige Kompromisse zu finden. Wer will sich heute schon mit Kompromissen zufrieden geben, wenn er mehr bekommen könnte….

(kpr)