So langsam spricht sich bei den Akamitgliedern herum, wo der Verwaltungsbau des Theaters ist: Unten, ganz unten am Ende des Hauses. Einige Teilnehmer haben ihn trotzdem nicht gefunden und mussten deshalb leider auf den interessanten Einführungsvortrag von Tim Plegge, dem Ballettdirektor und Chefchoreografen des Hessischen Staatsballetts verzichten.

 Kaum hatte er sich vorgestellt, als auch schon eine engagierte Diskussion über einige neue Inszenierungen, die nicht jedermanns Geschmack sind, in Gang kam. Vom Aschenputtel war zunächst nicht die Rede. Aber er „fing uns wieder ein“ und erläuterte u.a. die Auswahl des Märchens, den szenischen Aufbau, die Bedeutung der Vögel, warum der bekannte gläserne Schuh nicht vorkommt und die Zusammenstellung der Musik.

 Die Aussage des Märchens und besonders die zum Ballett bearbeitete Darstellung thematisiert das Erwachsenwerden und die Liebe. Es schien, als hätten die Zuhörer bereits jetzt Sympathie für das junge Paar entwickelt. Für den Genuss der bezaubernden Aufführung wurde später mit lang anhaltendem Applaus gedankt

Es sind weder die bekannten putzigen Täubchen, noch ist es die schweigsame Rosalie, Herrin über zauberkräftige Haselnüsse, nein, schwarze, wild flatternde Vogelgestalten begleiten das Mädchen Aschenputtel durch die Geschichte; sie stehen dem, von der Stiefmutter und den giftigen Stiefschwestern gedemütigten jungen Mädchen zur Seite. Sie sortieren keine Erbsen und Linsen, sondern helfen dem (endlich !) erbosten Aschenputtel, den riesigen Tellerberg abzutragen. Sie spülen nicht, sondern werfen – holla ! – die Teller schwungvoll in den Bühnenraum.

Währenddessen bemüht sich das königliche Elternpaar verzweifelt, den Prinzen von seiner Astronauten-Träumerei abzubringen und auf seine Pflichten als Thronfolger einzustimmen. Eine Braut soll’s richten! Völlig unernst faltet der Prinz – wie heißt der Knabe eigentlich? – mit seinem Freund aus den Einladungen zum Ball flotte Flieger. Einer davon landet bei Aschenputtel – und leider auch bei ihren bösartigen Schwestern.

In diesem Moment beginnt Aschenputtels Emanzipierungsprozess. Nicht Wut und Trotz, sondern ein aufkeimender starker Wille und die Hilfe der flatternden Freunde führen sie trotz des Verbots zum Ball an den königlichen Hof. Dort setzen die biestigen Schwestern dem Prinzen bereits kräftig zu, natürlich mehr aus Geltungsdrang als aus echtem Gefühl.

Es ist wunderbar anzusehen, wie zwischen der nicht allzu großen Tanzgesellschaft die beiden unglücklichen jungen Leute sich wahrnehmen, erkennen, sich trennen lassen und mehrmals im allerletzten Moment vor dem erlösenden Kuss u.a. von ihrer Familie verscheucht werden. Trotz des schwarzen Schleiers wird Aschenputtel entlarvt. Und Mitternacht ist es auch, also husch, husch nachhause. Der Prinz erhält ein kleines Zeichen von ihr: „ Suche mich, wenn du wirklich interessiert bist!“ Er ist!

Auch wenn wir älteren Semester das Ritual der Spurensuche mit dem Schuh schätzen und das dazu gehörige Taubengeplapper zitieren können…der moderne Prinz braucht das blutrünstige

Verfahren nicht. Er findet seine Braut auch so.

Es folgt ein langer pas de deux. Schwärmerisch und selig schweben die Liebenden durch den leeren Bühnenraum, ruhen zum Schluss wie auf einer imaginären Wiese nebeneinander und träumen von nun an gemeinsam (allerdings SEINEN Traum vom Astronauten, der durch den Bühnenhimmel schwebt.)

Aber, das bestätigt mir das Studium der Regenbogenpresse beim Friseur, der Prinz muss trotzdem König werden, und sie kriegen viele Königskinder, Einlinge, Zwillinge und weil‘ so ein schönes Märchen ist, vielleicht auch Drilling, oder?

mika