thomas zipfSchulden: Fast jeder macht sie irgendwann mal. Und mancher kann sie gar nicht mehr begleichen. Alltag nicht nur in Deutschland. Manchmal mit schrecklichem Ausgang. Manchmal aber auch ein Wendepunkt und ein Signal, sein Leben zu verändern. Es gibt Hilfen, zum Beispiel beim Darmstädter Schuldnerberater Thomas Zipf, der in drei Jahrzehnten bei seinen Klienten mit Schicksalsschlägen aller Art konfrontiert war. Und der immer wieder den gleichen Rat gibt: Darüber reden!

Eindringlich berichtete er über das Thema jetzt in der Akademie 55plus und gab auf alle Fragen der Moderatorin Petra Neumann-Prystaj fundierte Antworten.

Jeder zehnte Deutsche ist überschuldet, und dieses Wort bedeutet: Mit dem Haushaltseinkommen können die Schulden nicht mehr abbezahlt werden. Die Zahl der Schuldner ist in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegen. Können wir generell nicht mehr mit Geld umgehen? Das kann man so pauschal nicht sagen. Wahr aber ist, dass es heutzutage viel leichter ist, Schulden zu machen, als früher, wo man noch keine Karte in einen Automaten stecken konnte, der dann das gewünschte Geld ausspuckte.

Wie gerät man eigentlich in die Schuldenfalle? Das kann ganz schnell gehen: durch Verlust des Arbeitsplatzes, Scheidung, eine lange Krankheit z.B., wo regelmäßig viele Prozente des Einkommens wegbrechen. Besonders betroffen davon scheinen Selbständige zu sein. Aber auch die zunehmende Zahl von prekären Arbeitsverhältnissen führt schnell in die Überschuldung.

Thomas Zipf hat sie alle in seinem Büro beraten: Angefangen vom jungen Mann, der ein Bußgeld von 50 € nicht zahlen konnte, bis hin zum Pleitier mit 12 Millionen Schulden. Der statistische Schnitt liegt bei 60.000 €, bei privat Verschuldeten immerhin noch bei der Hälfte. Der Schuldnerberater warnt davor, alle Betroffenen mit der flapsigen Bemerkung „Selber schuld“ abzukanzeln und erzählte eine anrührende Geschichte. Ein homosexueller Krankenpfleger hatte einen Kredit aufgenommen, um mit seinem Lebensgefährten auf Weltreise zu gehen. Es stellte sich heraus, dass dieser aufgrund einer Bluttransfusion Aids im Endstadium hatte und während der Reise starb.

Was ist wichtig, wenn ein Hilfesuchender vor ihm sitzt? Der Schuldnerberater, der tausende von Klienten beraten hat, merkt an: „Er muss mitarbeiten, muss sein Leben im Griff haben und muss Geduld haben.“ Denn oft ist es ein langer Weg bis zur Schuldenfreiheit. Oft werde ein Insolvenzverfahren beantragt, in der Hoffnung, die Schulden schneller loszuwerden. Aber auch das sei ein langwieriges Verfahren und sollte vorher genau geklärt werden. Fragen, die ihm immer wieder gestellt wurden, präsentierte er dem Publikum im nächsten Abschnitt.

Haften Kinder für die Schulden ihrer Eltern? Darauf konnte Zipf mit einem klaren „Nein“ antworten, allerdings mit einer Einschränkung: Im Erbfall. Da sei es manchmal besser, das gesamte Erbe abzulehnen. Muss man ins Gefängnis gehen, wenn die Schulden zu groß werden? Nein, sonst säßen ja zehn Prozent der Bevölkerung im Knast. Dorthin gelange man nur, wenn die Schulden im Zusammenhang mit einer Straftat stünden. Oder aber, wenn man Geldstrafen oder Bußgelder nicht bezahlen könne. In welcher Reihenfolgen werden Gläubiger bezahlt? Das gehe nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Alle Gläubiger seien gleichberechtigt, wenn es um die Entschuldung ginge. Wie lange dauert ein Insolvenzverfahren? Mindestens 3 Jahre, es könne sich aber auch bis zu zehn Jahren hinziehen.

Zum Schluss ging es um das Thema Altersarmut, die laut Zipf jedes Jahr um 7 % zunehme. Hier sollten sich die Betroffenen rechtzeitig schlau machen und ihre Rechte einfordern. Denn es gibt Unterstützung. Der erste Schritt sei immer, darüber zu sprechen. Die Angst übrigens, dass die Kinder für ihre Eltern aufkommen müssten, sei in den meisten Fällen unbegründet, da der Selbstbehalt meist sehr hoch angesetzt sei. Es gebe für die Antragsteller auch ein „geschütztes Vermögen“, das nicht angetastet werden darf, z.B. die eigene Wohnung (bis 80 qm) oder das Häuschen (120 qm).

All dies könne man leicht erfahren und sich beraten lassen. Jedoch, sagte Zipf abschließend, „die Scham ist immer noch groß.“ Er ermutigte aber alle Betroffenen eindringlich, sich professionelle (kostenlose) Hilfe zu holen.

Nach dieser Veranstaltung waren sich die Zuhörer einig: Bei diesem überaus sympathischen Schuldnerberater ist man gut aufgehoben, wenn man in der Schuldenfalle steckt.

hb