Beckenbauer, Blatter, Niersbach, Zwanziger – was haben diese Herren gemeinsam? Es gab in letzter Zeit viel Trubel um sie und jedes Mal fiel das unschöne Wort „Korruptionsverdacht“. 
Sylvia Schenk, bekannte Sportlerin und engagierte Korruptionsbekämpferin konnte vor vielen Monaten, als ihre Veranstaltung mit der DOG (Deutsche Olympische Gesellschaft) in Kooperation mit der Akademie 55plus verabredet wurde, nicht ahnen, welch ungeahnte Aktualität das Thema haben würde.

Und folglich war der Saal im Offenen Haus gerappelt voll. Alle wollten wissen, ob das Fragezeichen hinter dem Titel „Korruption in Deutschland?“ gerechtfertigt ist.

Dabei ging es vor allem um die Aufgaben von „Tranparency International“, für die Sylvia Schenk tätig ist. Die ehemalige Leistungssportlerin, Olympiateilnehmerin, Arbeitsrichterin und Stadträtin in Frankfurt war auch einige Jahre Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer. Als sie einen Korruptionsfall im Weltradsportverband öffentlich machte, erregte dessen Präsident, Hein Verbruggen, eine gesteigerte Aufmerksamkeit mit dem schönen Satz: „It's a man's world so you have to adopt. Sie sollte sich also anpassen. Tat sie aber nicht. Stattdessen begann sie ihren Kampf gegen Korruption und Bestechung, arbeitete (ehrenamtlich) für die deutsche Sektion von „Transparency International“ - mehrere Jahre als Vorstandsvorsitzende, inzwischen als Leiterin der Arbeitsgruppe Sport - und lehrte so manchen Vertreter der „Männerwelt“ das Fürchten.

In ihrem Vortrag ging sie auf fünf Bereiche zum Thema „Korruption im Sport“ ein. „Was steht auf dem Spiel“ hieß es zu Beginn. Eindrucksvolle Bilder von beschmierten Denkmälern, von Demo-Plakaten und aus Magazinen gaben die Antwort: Die Glaubwürdigkeit, das Vertrauen, letztendlich auch die Begeisterung, die zum Beispiel das „Sommermärchen“ generationen- und nationenübergreifend hervorrufen konnte und identitätsstiftend war – all das steht auf dem Spiel.

Was ist Korruption? fragte sie und gab als Juristin gleich die korrekte Definition: Es ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum eigenen Nutzen oder Vorteil. Sie nannte es das (un)heimliche Delikt, bei dem es zunächst keinen offensichtlichen Schaden und kein offensichtliches Opfer gebe. Da es immer zwei Täter und zwei getrennte Tathandlungen seien, (einer schiebt Geld rüber, der andere nimmt es und bietet Gegenleistungen) sei es zunächst schwer zu erkennen. Es entstehe ein Abhängigkeitsverhältnis, eine schleichende Entwicklung in einer Grauzone.

Allerdings habe sich das öffentliche Bewusstsein in den letzten Jahrzehnten verändert. Zum Beispiel „Lustreisen“ von Betrieben: Früher seien sie kein Thema gewesen. Heute jedoch habe sich vor allem durch die Berichterstattung in den Medien die Wahrnehmung und Beurteilung geändert. VIP-Tickets, Nebeneinkünfte von Abgeordneten oder Lobbyismus: Überall lauert Korruption. Über 1000 Verfahren hat es deshalb in den letzten zehn Jahren gegeben – eine absolut neue Entwicklung auf diesem Gebiet.

Wie steht es nun speziell im Sport? Korruption, so die Referentin, gibt es auch in der Politik und in der Wirtschaft. Geht es aber um den Bereich Sport, dann ist der Aufschrei besonders groß. Warum? Männer wie Blatter oder Beckenbauer würden hofiert wie gottähnliche Wesen. Sie verlören mit der Zeit jegliches Unrechtsbewusstsein und nehmen Uhren im fünfstelligen Bereich ohne Skrupel an. Umgeben von ständigen Lobhudeleien und großer Verehrung, verlieren sie den Bezug zur Realität. Kritiker werden ausgegrenzt und abgestraft. Eine Bewusstseinsänderung ist bitter nötig. Reformen werden dringend gebraucht.

Aber wie? Das Ehrenamt sei nicht per se gut, sagte Sylvia Schenk, auch hier müsse kontrolliert werden. Und zwar auf allen Ebenen. Probleme gebe es nicht nur bei der FIFA, sondern auch viel weiter unten im kleinen Verein. Dafür macht sich auch die IOC stark. In ihrer Agenda 2020 fordert sie vor allem Transparenz. Aufwandsentschädigungen müssten offengelegt werden. Flexibilität sei wichtiger als Gigantismus. Man müsse von hohen Investitionen wegkommen und sich um Nachhaltigkeit bemühen. Und ganz wichtig: Es gibt immer Einzelne, die etwas merken. Für sie müsse es eine neutrale Stelle geben, an die man sich wenden könne. Ein Klima der Offenheit müsse geschaffen werden, das es Betroffenen leichter mache, sich rechtzeitig zu offenbaren. Gerade der Sport habe hier die Aufgabe, Vorreiter einer Fair-play-Kultur zu sein. Hier sei man inzwischen aber durch zahlreiche Gesetze und Selbstverpflichtungen gerade im IOC schon ein großes Stück weitergekommen.

In der Olympiabewerbung Hamburgs sieht die Referentin eine große Chance, wenn all diese Kriterien erfüllt würden. Bis dahin allerdings sei es noch ein weiter Weg. „Es gibt viel zu tun, packen wir's an.“

Für das „Feuerwerk von Informationen“ bedankten sich anschließend die beiden Moderatoren, Till Lufft (DOG) und Peter Wagener (Akademie 55plus). Das Publikum spendete laut Beifall und dankte für einen fundierten, aktuellen und brillant vorgetragenen Einblick in ein bisweilen schmutziges Geschäft, das durch Engagierte wie Sylvia Schenk in Zukunft hoffentlich transparenter und damit auch „sauberer“ wird.

hb