Abseits der Kernstadt Darmstadts sind tonnenschwere Schätze zu besichtigen, doch nicht sehr viele Besucher interessieren sich für sie. Das liegt einerseits am unedlen Material Eisen und Blei, eher noch an der überholten Aktualität der Schätze: die Setz- und Druckmaschinen der letzten zwei Jahrhunderte.
Bei der Außenstelle des Hessischen Landesmuseums „Abteilung Schriftguss, Satz und Druckverfahren“ ist manches anders als in den meisten Museen. Fast alles kann angefasst werden; teilweise darf der wissbegierige Laie selbst aktiv werden. Vor allem darf viel gefragt werden, denn eine überraschend große Zahl von ehrenamtlichen Akteuren geben den Besuchern gerne zu „ihren“ Maschinen Auskunft. Einige waren früher selbst in einer Druckerei wie der bekannten Stempel AG beschäftigt, andere sind Technik-Freunde und freuen sich darüber, was sie alles betriebsbereit (er)halten und vorführen können.
Kein Druck ohne das Setzen der Sätze bzw. Worte. Wer heute am PC seine Texte eingibt und die gewünschte Schriftform in Sekunden wählt, macht sich über die Mühen des früheren Schriftsetzers keine Gedanken. Aus Setzkästen mit 125 Fächern (für jede Form und Größe ein eigener!) wurde quasi im Akkord der gewünschte Text zusammengebaut; Zwischenräume und Satzzeichen durften nicht vergessen werden. Die Buchstaben (Lettern) in Spiegelschrift wurden aus einer Blei-Legierung gegossen; im Museum ist übrigens einer der letzten Schriftgießer in Europa aktiv. Zu Zeiten der Einführung von „€“ und „@„ war sein Können letztmalig stark gefragt.
Die industrielle Revolution des 19 Jh. brachte auch beim bis dahin ausschließlich manuellen Drucksatz maschinelle Unterstützung. Der Setzer konnte sich an eine Art Schreibmaschine setzen, die angeschlossene Maschine setzte Buchstabe für Buchstabe hintereinander. Sich verschreiben war hier allerdings fatal: es bedeutete Zeitverlust, da die angebrochene Zeile komplett wiederholt werden musste. Wenn ein Dreckfuhler nicht bemerkt wurde, freute bzw. ärgerte sich der Leser darüber, das ist in der heutigen Zeit der automatischen Textkorrektur nicht anders. Die konsequente Weiterentwicklung der Setzmaschinen - genannt „Linotype“ nach der amerikanischen Erfinderfirma - sind im Museum einzeln zu bewundern. Sie wurden später mit Lochstreifen gesteuert oder kombinierten bis zu 6 verschiedene Schriftarten.
Was Meister Gutenberg mit Holzlettern und -pressen und zu Großherzog Ludewigs Zeiten mit einer gusseisernen Presse einzeln und mit mühsamer Handkraft erstellt wurde, war und ist zu unserer Zeit nur noch Geschichte, angesichts der vollautomatischen Rotationsmaschinen, die erst die Millionenauflage einer Zeitung wie die „Bild“ erst möglich machten.
Man mag es bedauern, aber die Schnelllebigkeit, das allgemeine Verlangen nach Aktualität sowie der menschliche Erfindergeist (digitaler Fotosatz) waren der schleichende Tod der beweglichen Lettern. Umso mehr macht es kurzweiligen Spaß, in die (ver)alte(te) und wundersame Welt des gedruckten Wortes einzutauchen. Und solange es noch die kompetenten und auskunftsfreudigen Fachleute in der Kirschenallee 88 gibt, sollte man unbedingt mal vorbei schauen.
Apropos Bleilaus: von ihr wurde früher den angehenden Druckerlehrlingen was vorgeflunkert. Das hat man sich bei den erfahrenen AKA-Mitgliedern wohl nicht getraut.
Text und Fotos: kpr