drbuergle 170Die Beweislast liegt beim Patienten

Nicht immer führt eine ärztliche Behandlung zum gewünschten Heilungserfolg. Das kann sich schicksalhaft aus der Erkrankung ergeben. Es kann aber auch ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegen. Wenn das der Fall ist, hat der Betroffene ein Anrecht auf Entschädigung, das er allerdings in der Regel gerichtlich durchsetzen muss.

Welche Möglichkeiten betroffene Patienten haben, dieses Recht durchzusetzen und vor allem auch, welche dabei Klippen zu überwinden sind, darüber referierte Frau Dr. jur. Michaela Bürgle, Fachanwältin für Arzthaftung, am 21.Januar 2015 bei der Akademie 55plus.

Frau Dr. Bürgle vertritt in Haftungsprozessen ausschließlich die Patientenseite. Die jährlich zunehmende Anzahl der Arzthaftungsprozesse ist ihrer Meinung nach weniger der sorgloseren Arbeit der Ärzte als vielmehr dem zunehmenden Bewusstsein der Patienten zuzuschreiben. Wie hoch die Anzahl der Behandlungsfehler ist, darüber gibt es nur Spekulationen.

Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn die ärztliche Maßnahme die zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden anerkannten medizinischen Facharztstandards unterschreitet.

Der Arzt schuldet dem Patienten die Wahrung der erforderlichen Sorgfalt bei der Behandlung, die Einhaltung geltender medizinischer Standards und eine umfassende Aufklärung über Diagnose, Therapie, Risiken und Behandlungsalternativen

Kommt es zum Prozess, muss der Patient das Vorliegen des Behandlungsfehlers und des daraus resultierenden Schadens nachweisen. Ein für einen Laien nicht einfaches Unterfangen. Es sei denn es liegt ein grober Behandlungsfehler, mangelhafte Aufklärung oder die nachgewiesene Fälschung der Behandlungsunterlagen vor. Dann muss der Arzt beweisen, dass die Beschuldigung falsch ist.

Um zu klären, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, wird seitens des Gerichts ein Sachverständiger hinzugezogen, dessen Bewertung die Richter normalerweise folgen. Inwieweit sachfremde Aspekte wie Berufssolidarität oder Interessen der Haftpflichtversicherung in Gutachten eingehen ist nur schwer nachzuweisen. Privatgutachter, die ein Betroffener während der Verhandlung auf eigene Kosten hinzuzieht, müssen vor Gericht nicht gehört werden. Abschreckend ist auch die oft jahrelange Prozessdauer, die große Kosten verursacht. Kaum bezahlbar, wenn man keine Rechtsschutzversicherung hat.

Hat man den Verdacht, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, so ist es wichtig, sich im Vorfeld einer gerichtlichen Klärung eine gute Verhandlungsposition zu verschaffen. Frau Dr. Bürgle gab hierzu Tipps. Ein Patiententagebuch, das den Behandlungsverlauf dokumentiert ist z.B. für die Beweissicherung sinnvoll; auch sollte eine Kopie der Behandlungsunterlagen angefordert werden. Ein privates Sachverständigengutachten im Vorfeld (kostenfrei über die gesetzlichen Krankenkassen) wird zum Aktenbestandteil, mit dem sich auch der gerichtliche Sachverständige auseinandersetzen muss.

Ist ein Behandlungsfehler anerkannt, steht dem Betroffenen Schadensersatz zu. Gut berechenbar ist dieser für materielle Schäden wie Verdienstausfall, medizinische Hilfsmittel. Haushaltsführungsschaden, behindertengerechte Umbauten etc. Komplizierter ist es mit dem Schmerzensgeld, dessen Zumessung in Deutschland im Vergleich mit den angelsächsischen Ländern in der Regel eher eher bescheiden ausfällt.

Präventiv, damit es möglichst nicht zu Behandlungsfehlern kommt, sollten Patienten, so Frau Dr. Bürgle, in Fällen, in denen sie wegen Diagnose oder Therapie Bedenken haben, immer eine Zweit- oder Drittmeinung einholen. Patienteninformationen zu den aktuellen medizinischen Fachstandard bietet das Internet-Portal der Arbeitsgemeinschaften der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften: AWMF online.

marwen